II. Die Ermittlung der Entscheidungen deutscher Gerichte wegen NS-Tötungsverbrechen

 

A. Die westdeutschen Urteile: Justiz und NS-Verbrechen

II. Die Ermittlung der Entscheidungen deutscher Gerichte wegen NS-Tötungsverbrechen

Bis zum Jahre 1961 fehlte den Justizbehörden der Bundesrepublik Deutschland eine Übersicht über die in ihren Geschäftsbereichen seit dem Jahre 1945 wegen NS-Straftaten ergangenen Strafurteile. Noch im Oktober 1960 wurde beim ersten Versuch einer Sammlung des einschlägigen Materials von den Landesjustizverwaltungen übereinstimmend mitgeteilt, dass über die Strafverfahren wegen NS-Verbrechen keine besondere Statistik geführt werde und dass eine nachträgliche Ermittlung der Urteile arbeitsmässig nicht zu bewältigen sei. Im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess und dem dadurch stark anwachsenden Interesse der Öffentlichkeit an dem Problem der Ahndung der NS-Verbrechen ergriff jedoch der Bundesminister der Justiz im März 1961 die Initiative, um zu einem Überblick über die wichtigsten Strafverfahren wegen NS-Verbrechen zu gelangen. Er bat zu diesem Zweck die Landesjustizverwaltungen um die Mitteilung „derjenigen Fälle die bedeutsam erscheinen“, und um eine kurze Beschreibung des Prozessverlaufs. Die Bearbeitung dieses Ersuchens durch die Landesjustizverwaltungen war jedoch nicht einheitlich und demgemäss waren auch die mitgeteilten Verfahren ihrer Art nach verschieden. Während einige Länder die Wichtigkeit der Fälle nach der Zahl und der zeitgeschichtlichen Bedeutung der Angeklagten, nach der Zahl der Opfer und der Höhe des Strafmasses beurteilten, teilten ander Länder diejenigen Verfahren mit, die ihnen im Hinblick auf eine von der Bundesregierung vorbereitete Dokumentation über die Ahndung von NS-Verbrechen als beispielhaft erschienen.

Die auf Grund dieser Meldungen angelegte Kartei, die etwa 1650 Verfahren umfasste, wurde auf Grund einer Genehmigung des Bundesjustizministeriums im Juli 1963 ausgewertet. Da jedoch anzunehmen war, dass die genannte Kartei schon deswegen nicht vollständig sein konnte, weil nur nach den „bedeutsamen“ Verfahren gefragt worden war und die nach dem März 1961 ergangenen Urteile offensichtlich nur vereinzelt gemeldet worden waren, wurden anschliessend sämtliche deutschen Fachzeitschriften auf Hinweise auf Verfahren wegen NS-Tötungsverbrechen durchgesehen. Ausgewertet wurden weiter die Berichte und Aufstellungen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg und die in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs vorhandene Sammlung sämtlicher Entscheidungen des ehemaligen Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone. Seit dem Jahre 1963 wurden ferner systematisch die in der deutsche Presse erscheinenden Meldungen über Verfahren wegen NS-Verbrechen gesammelt. Durch Auswertung dieser Pressemitteilungen wurde ein Vollständigkeit erreicht, die über diejenige der jährlich aufgestellten behördlichen Übersichten hinausgeht. Auch durch die Auswertung der ermittelten und inzwischen angeforderten und überlassenen Entscheidungen konnten weitere einschlägige Verfahren erfasst werden.

Im Zusammenhang mit der Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist für Mord bat der Bundesminister der Justiz die Landesjustizverwaltungen am 29. Dezember 1964 um Mitteilung sämtlicher wegen NS-Verbrechen durchgeführten Strafverfahren. Die auf Grund dieses Ersuchens von den Ländern vorgelegten umfangreichen und detaillierten Berichte wurden im Jahre 1965 durchgearbeitet und die dadurch noch zusätzlich ermittelten Entscheidungen – etwa ein Fünftel des jetzt veröffentlichten Materials – bei den Staatsanwaltschaften angefordert. Auch diese Urteile wurden auf Hinweise auf noch nicht bekannte Verfahren durchgesehen.

In den Jahren, in denen die Bände I-XXI veröffentlicht wurden – 1968 bis 1981 –, konnten noch einige einschlägige, aber bis dahin unbekannte Verfahren ermittelt worden. Sie wurden in Band XXII unter den Nr.607-616 veröffentlicht. Die nach 1965 ergangenen Urteile sind lückenlos erfasst worden. Sie wurden seit 1998 in den Bänden XXIII ff. unter den Nr.617 ff. veröffentlicht. Einige wenige, nach 1981 bekannt gewordene Urteile aus der Zeit vor 1966 wurden nach Abschluss der Serie im letzten Urteilsband veröffentlicht.

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