Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.99

 

nicht ausser acht gelassen, und so oft Juden betroffen wurden, wurden sie mit nur ganz geringen Ausnahmen der Sonderbehandlung zugeführt, sie wurden getötet.

 

2. Der Angeklagte Dr. Schumacher im Januar/Februar 1942 in Kiew

 

Schon bevor der Angeklagte E. seine Tätigkeit in Kiew aufgenommen hatte und die KdS-Dienststelle eingerichtet war, war der Angeklagte Dr. Schumacher, damals SS-Hauptsturmführer, in Kiew eingetroffen. Er war Ende Oktober/Anfang November vom RSHA von Duisburg aus zur Dienststelle des BdS nach Kiew kommandiert worden und Mitte November dort angekommen. Nach der Weisung des BdS Dr. Thomas gehörte Dr. Schumacher gleichzeitig der Dienststelle des BdS und auch dem EK 5 an, das ebenfalls in Kiew lag, aber vor seiner Auflösung stand.

Dr. Schumacher hatte von Dr. Thomas zunächst den Auftrag erhalten, eine ukrainische Kriminalpolizei in Kiew aufzubauen, worum er sich auch mit wechselndem Erfolge bemühte. Als er jedoch etwa am 20.1.1942 sich von einem vierwöchigen Urlaub bei Dr. Thomas zurückmeldete, gab dieser in Abänderung des früheren Auftrages ihm auf, sich jetzt vordringlich Stapo-Aufgaben zu widmen, da die Partisanen- und Agententätigkeit in Kiew überhand zu nehmen drohten. Dr. Schumacher wehrte sich dagegen; er befürchtete, dann auch bei der von ihm als Unrecht erkannten Ausrottung der Juden unmittelbar mit Hand anlegen zu müssen; das aber wollte er vermeiden. Mit seinen Bedenken, als ausgebildeter Kriminalpolizeibeamter für Stapo-Tätigkeit nicht befähigt zu sein, drang er bei Dr. Thomas, dessen einziger Beamter er damals war, nicht durch. Dr. Schumacher wurde noch deutlicher; er liess Dr. Thomas seine Bedenken hinsichtlich der Judenbehandlung wissen. Dem begegnete Dr. Thomas kurz und entschlossen mit dem Hinweis, dass es sich hierbei um einen Führerbefehl handle. Im Weigerungsfalle müsse er dem Reichsführer SS Meldung erstatten. Er versprach jedoch Dr. Schumacher seine Ablösung, sobald Ersatz für ihn aus dem Reiche komme. Dr. Schumacher resignierte; er glaubte zwar nicht, im Falle weiterer Weigerung sein Leben zu gefährden, er bedachte aber seine Gehorsamspflicht als Beamter und seinen Soldateneid, den er geleistet hatte, und beugte sich, auf baldige Ablösung hoffend.

 

Dr. Schumacher nahm seine Tätigkeit beim EK 5 unter Obersturmbannführer Meyer auf, ohne dadurch sein unmittelbares Unterstellungsverhältnis zum BdS vorerst zu verlieren. Er nahm Quartier im Dienstgebäude des EK 5 in der Melnikastrasse in Kiew.

Die BdS-Dienststelle war in der Korolenkastrasse 33 untergebracht, wo sie später von der KdS-Dienststelle abgelöst wurde. Während Obersturmbannführer August Meyer, der am 13.5.1960 in Untersuchungshaft verstorben ist, die Verwaltungsgeschäfte des EK 5 weiterführte, übernahm Dr. Schumacher die Stapo- und - soweit ihm dafür noch Zeit blieb - auch die Kripoaufgaben. Dazu standen ihm ca. 20 Mann (ca. 8-12 Angehörige des EK 5 und im übrigen volksdeutsche Dolmetscher) zur Verfügung. Neben der Bekämpfung von Partisanen, Agenten, Saboteuren und anderen staats- und besatzungsfeindlichen Kräften gehörte zur Stapotätigkeit auch die Festnahme und Liquidierung unterschiedslos aller Juden. Wegen der nur geringen Zahl der Kommandoangehörigen und der ebenso dringlichen anderen Aufgaben war es jedoch nicht möglich, nach Juden im Raume von Kiew zu fahnden oder Razzien gegen sie zu unternehmen. Das erwies sich aber auch gar nicht als zwingend erforderlich; die Ablehnung der jüdischen Rasse in weiten Kreisen der ukrainischen Bevölkerung war gross genug, dass Juden immer wieder aus der Bevölkerung heraus angezeigt und deutschen Wehrmachts-, Zivil- und Polizeidienststellen in die Hände gespielt und auf diesem Wege in das ehemalige NKWD Gefängnis in der Korolenkastrasse 33 eingeliefert wurden. Als der Angeklagte Dr. Schumacher einmal einem deutschen Landwirtschaftsführer beim Gefängnis begegnete, als dieser gerade einen Juden allein wegen seiner Rassezugehörigkeit einlieferte, und ihn fragte, ob er nichts Besseres zu tun hätte als dieses, wies dieser ihn kurz auf den Führerbefehl hin und gab ihm zu verstehen, dass er ihn ob dieser Haltung auch sofort melden könne.

Dr. Schumachers Vorsprachen bei der ukrainischen Stadtverwaltung und auch beim Stadtkommandanten von Kiew, um eine Möglichkeit zu finden, wenigstens jüdische Frauen und Kinder von der Tötung auszuschliessen, blieben erfolglos.