Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.92

 

f. So ist nach alledem bewiesen, dass die hier festgestellten Erschiessungen durch das Einsatzkommando 1b durchgeführt worden sind. Dass dabei wenigstens teilweise die lettische Hilfspolizei unterstützend mitgewirkt hat, haben Zeugen bekundet. Dass sie selbst die Erschiessungen und zwar in eigener Regie vorgenommen haben, ist durch die vorausgegangenen Darlegungen ausgeräumt und auch durch den Inhalt der Ereignismeldung Nr.24 widerlegt wo es u.a. auch heisst "... die Letten einschliesslich der führend Tätigen haben sich bisher gegenüber den Juden vollkommen passiv verhalten und es nicht gewagt, gegen diese aufzutreten ...".

Bei den Exekutierten hat es sich um Juden gehandelt, die allein der Rassezugehörigkeit « wegen » getötet worden sind. Das haben nicht nur die Zeugen Zi., Gro., Di., Ke. und Kn. bekundet, das ergibt sich auch aus dem dazu hinsichtlich der Erschiessungen in Kowno unter II.2.d. Dargelegten.

Deshalb haben auch die an den Judenfestnahmen in Dünaburg beteiligten Zeugen klar bekundet: Es waren alle Juden festzunehmen, nicht etwa nur bestimmte, die möglicherweise sich einer strafbaren Handlung hätten schuldig gemacht haben können. Schliesslich berichtet auch die Ereignismeldung Nr.24 vom 16.7.1941 unzweideutig "... 1150 Juden in Dünaburg erschossen ..."

 

g. Somit ist erwiesen, dass der Angeklagte E. an den einzelnen nicht mehr feststellbaren Tagen etwa zwischen dem 6. und 10.7.1941 in Dünaburg in Lettland bei wenigstens vier von ihm angeordneten Exekutionen durch sein Einsatzkommando 1b - teilweise auch mit Unterstützung lettischer Hilfspolizeikräfte - wenigstens 480 Juden ihrer Rasse wegen hat umbringen lassen.

 

III. Rechtliche Würdigung: Kowno - Dünaburg (Angeklagter E.)

 

Die rechtliche Würdigung des zu Kowno und Dünaburg festgestellten Tatgeschehens hinsichtlich des Angeklagten E. erfolgt gemeinsam mit dem weiter unten unter D. zum Tatkomplex Kiew festgestellten Sachverhalt.

 

IV. Freispruch des Angeklagten H. (Dünaburg)

 

Auch dem Angeklagten H. war in Anklage und Eröffnungsbeschluss vorgeworfen worden, in Dünaburg die Festnahme und Erschiessung von 200 Juden geleitet und durchführen lassen zu haben (Verbrechen, strafbar nach §§211 a. und n.F., 49, 73 StGB). Die Hauptverhandlung hat diesen Schuldvorwurf jedoch nicht bestätigt. Das Schwurgericht ist vielmehr der Überzeugung nahe, dass der Angeklagte H. in Dünaburg an Festnahme- und Erschiessungsaktionen von Juden nicht beteiligt gewesen ist.

 

Der Hauptbelastungszeuge des Angeklagten H. aus dem Ermittlungsverfahren, der Zeuge Zi., hat in der Hauptverhandlung keine sicheren Bekundungen mehr über die Teilnahme H.s an der Festnahme von Juden sowie auch an der am nächsten Tage folgenden Exekution zu machen vermocht. Dabei ist Zi. nach der Überzeugung des Gerichts nicht leichtfertig von dem abgerückt, was er in früheren Vernehmungen über die Anwesenheit von dem Angeklagten H. ausgesagt hat. Das Schwurgericht ist weit davon entfernt, dem Zeugen Zi. hinsichtlich seiner früheren Bekundungen in irgendeiner Hinsicht Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Dieser Zeuge hat in der Hauptverhandlung sein ehrliches Bemühen, die Wahrheit zu sagen, deutlicher als ein Grossteil der übrigen Zeugen erkennen lassen. Wenn er am Ende seines Ringens um die Bekundung echter Erinnerung dahin ein "ich weiss nicht mehr" setzte, dann schien diese Aussage echt und verantwortungsbewusst zu sein. Wenn er bei früheren Vernehmungen wiederholt und ständig von H.s Anwesenheit bei der Festnahmeaktion wie auch bei der Exekution selbst gesprochen hat, dann liegt ein Irrtum aus nachfolgenden Gründen nahe, dem der Zeuge möglicherweise verfallen ist.

Der Angeklagte H. war für Zi. derjenige Führer des Kommandos, den er am besten kannte. Zi. war nicht nur schon längere Zeit zuvor mit ihm in Erfurt bei der Kripo zusammen gewesen und ist dann auch nicht nur mit ihm und anderen Kameraden von Erfurt zum Einsatzkommando 1b nach Pretzsch gekommen, sondern der Angeklagte H. war ihm deshalb so stark in Erinnerung, weil er - wie auch alle anderen Zeugen, die