Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.89

 

Führer des Einsatzkommandos Stapo und SD Tilsit, dem Zeugen Böhme 21, abgehalten hat. Jäger selbst, der am 22.Juni 1961 in Untersuchungshaft verstorben ist, hat nach dem in der Hauptverhandlung verlesenen Protokoll über seine polizeiliche Vernehmung vom 15.6.1959 in der Sache gegen Schmitz (StA Frankfurt/Main, 4 Js 1106/59, Band IV, 1885 ff.) als Beschuldigter wiederholt ausgesagt, mit Sicherheit E. in Kowno weder gesehen noch gesprochen zu haben. Nach seinem Eintreffen in Kowno habe sich ausser seinem Kommando kein weiteres Einsatzkommando in Kowno aufgehalten. Auch nach kritischer Würdigung hält das Gericht diese Beschuldigtenaussage wegen der nachfolgenden Gründe insoweit für wahr.

Jäger ist nur von einem einzigen der hier als Zeugen vernommenen zahlreichen Kommandoangehörigen des EK 1b, dem Zeugen Ge., damals SS-Rottenführer, lediglich einmal, und zwar auch erst am letzten oder vorletzten Tage der Anwesenheit des Hauptkommandos in Kowno auf der Dienststelle gesehen worden, wobei er nicht notwendig mit E. zusammengetroffen sein muss. Es hat auch kein Zeuge zu bestätigen vermocht, dass E., wie er angibt, einmal mit Jäger einer Exekution im Fort beigewohnt habe. Selbst E.s Fahrer, der Zeuge Fe., weiss weder etwas davon, noch dass Jäger überhaupt zu dieser Zeit in Kowno gewesen sein soll, zu berichten. Dabei gibt E. selbst an, in Kowno stets mit Fahrer gefahren zu sein und seinen PKW niemals selbst gesteuert zu haben.

Dieselbe Art der Verteidigung schlägt der Angeklagte E. aber auch hinsichtlich Dünaburg ein, wo er die Verantwortlichkeit für die Exekutionen auf einen SS-Hauptsturmführer Liebram abzuwälzen versucht (siehe unten II.3.e.), der aber nach den überzeugenden Feststellungen der Hauptverhandlung wenigstens nicht zum Zeitpunkt des EK 1b dort gewesen ist. Das alles aber spricht für den Wahrheitsgehalt der Aussage Jäger insoweit, so dass auch damit die Einlassung E.s, Jäger habe möglicherweise zu seiner Zeit in Kowno durchgeführte Judenexekutionen angeordnet, widerlegt ist.

 

Dass Jäger E. Exekutionen durchzuführen befohlen habe, behauptet E. selbst nicht. Dass er hingegen an Jäger seinen Untersturmführer Burkhard mit einem Kommando habe zu Exekutionen abstellen müssen - wie er sich weiter einlässt -, ist nach der Überzeugung des Schwurgerichts ebenfalls unwahr. Zu solcher Abstellung hätte weder von Jäger noch von E. aus irgendeine Veranlassung bestanden. Jäger hätte dazu keine Veranlassung gehabt, weil E. nicht anders als auch ihm der Führerbefehl bekannt war und auch ihm und seinem Einsatzkommando galt. Deshalb hätte es Jäger nicht nötig gehabt, mit E.s Kommando in dessen Gebiet Exekutionen vorzunehmen, die nach dem Führer- und auch nach Stahleckers Befehl E. durchzuführen selbst oblagen. Auch hätte Jäger angesichts seines eigenen viel stärkeren Einsatzkommandos nicht des viel schwächeren Einsatzkommandos 1b von E. bedurft, um eigene Aufgaben auszuführen. Zum anderen aber erscheint es - wie auch der mit der Befehlsgewalt der Einsatzkommandos vertraute Zeuge Ts. vom Einsatzgruppenstab in Riga glaubhaft unter Eid bekundet hat - ausgeschlossen, dass Jäger Befehlsgewalt über E. hatte und ihm hätte in der von E. angegebenen Weise befehlen können; und ebenso ausgeschlossen erscheint es vor allem, dass E. sich hätte von einem gleichgestellten anderen Kommandoführer befehlen und sein Kommando abschwächen lassen.

 

g. Weitere Versuche des Angeklagten E., die Verantwortlichkeit für die ihm zur Last gelegten Exekutionen in Kowno von sich zu weisen, liegen in seiner weiteren Einlassung hinsichtlich von Exekutionskommandos unter Untersturmführer Hamann und einem unbekannten SS-Führer. Diese Kommandos sind keinem der zahlreichen Zeugen, die hier vernommen worden sind, bekannt gewesen.

Nur der Zeuge Gr. vom EK 3 bekundet, dass beim Einrücken des EK 3 in Kowno Jäger mit Hamann und drei anderen Angehörigen des Kommandos zum Quartiermachen kurz vorausgefahren sei. Auch für diese beiden angeblichen Kommandos wäre keine Veranlassung gegeben gewesen, in Kowno z.Zt. des Aufenthaltes des EK 1b, das Juden zu erfassen und zu vernichten hatte, Exekutionen durchzuführen. Das hätte auch nicht gegen den Willen E.s dort geschehen können. In seinem Befehlsbereich übte er, der seine Machtstellung auszuschöpfen wusste, die Befehlsgewalt aus und gegen seinen Willen kein anderer.

 

21 Siehe Lfd.Nr.465.