Justiz und NS-Verbrechen Bd.XL

Verfahren Nr.813 - 830 (1974 - 1976)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.830b BGH 23.02.1978 JuNSV Bd.XL S.865

 

Lfd.Nr.830b    BGH    23.02.1978    JuNSV Bd.XL S.866

 

b) Zu Unrecht rügt die Revision, die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten habe unter Verstoss gegen die §§230 Abs.1, 338 Nr.5 StPO teilweise in seiner Abwesenheit stattgefunden. Zwar sind die Niederschriften über die Vernehmungen der Zeugen He. und Wi. in der Hauptverhandlung vom 26.November 1975 verlesen worden, als - nach zulässiger Abtrennung des Verfahrens - nur gegen den früheren Mitangeklagten Kle. 442 verhandelt worden ist. Nach Fortsetzung der Verhandlung gegen den Beschwerdeführer wurden die Verlesungen aber in seiner Anwesenheit wiederholt, und zwar am 19.Dezember 1975 (Bl.3585 d.A.), am 2.Februar 1976 (Bl.3667 d.A.) und am 11.Februar 1976 (Bl.3690 d.A.). Damit war den Anforderungen des Gesetzes Genüge getan (vgl. BGH, Urteil vom 11.Januar 1977 - 5 StR 252-253/76 443).

 

c) Die Rüge, der zuständige Konsul habe die konsularische Vernehmung des Zeugen Wa. vom 20.Januar 1976 nicht geleitet und überdies das Vernehmungszimmer vorübergehend verlassen, greift schon deshalb nicht durch, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Verurteilung des Angeklagten auf der Aussage dieses Zeugen beruht. Dieser erinnerte sich keines Namens von Angehörigen der Lagermannschaft. Er konnte niemanden auf Lichtbildern identifizieren. Er entsann sich nicht einmal irgendwelcher Erschiessungen. Er hat nichts ausgesagt, was auch nur entfernt geeignet gewesen wäre, den Angeklagten zu belasten. Das räumt auch die Revision ein. Dass der Zeuge unter zahlreichen anderen Beweismitteln aufgeführt wird (UA S.21/22 444), besagt für sich nichts (BGH GA 1969, 280; Urteil des Senats vom 12.April 1956 - 4 StR 52/56). Die Angaben des Zeugen zum Randgeschehen sind ersichtlich nicht von Bedeutung für die Verurteilung des Angeklagten gewesen.

 

d) Der Antrag der Verteidigung vom 11.November 1975 bezüglich des Niederländers Johannes Loyen stellte keinen Beweisantrag dar, der ausdrücklich beschieden werden musste. Er zielte lediglich auf die Nachforschung ab, ob dieser Zeuge in dem gegen ihn gerichteten Verfahren 445 Angaben zur Sache gemacht und was er gegebenenfalls ausgesagt habe. Auch im Hinblick auf die gerichtliche Aufklärungspflicht drängte sich die Vernehmung dieses Zeugen nicht auf. Von ihm war eine Entlastung des Angeklagten nicht zu erwarten, nachdem der Beschwerdeführer und sein Verteidiger davon abgesehen hatten, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen (vgl. auch Revisionsbegründung vom 12.Juli 1976 S.8).

 

e) Die übrigen Verfahrensbeschwerden sind offensichtlich unbegründet.

 

2. « Die Sachrüge »

 

Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg.

 

Die Feststellungen des Schwurgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten als Mörder. Zu Recht ist das Schwurgericht zu der Auffassung gelangt, dass der Angeklagte nicht nur Gehilfe, sondern Täter ist. Nach den Feststellungen hat der Hauptsturmführer Söldner beim Eintreffen der ersten Juden vor dem Angeklagten und seiner versammelten SS-Lagermannschaft sinngemäss erklärt (UA S.17 446): "Die Juden sind zum Arbeiten da; lasst sie schuften, bis sie umfallen. Wenn sie nicht mehr können, müssen wir uns etwas einfallen lassen.

 

442 Siehe Lfd.Nr.825.

443 Siehe Lfd.Nr.821b.

444 = Seite 830 dieses Bandes.

445 Loyen wurde in den Niederlanden vom LG Roermond am 14.12.1976 wegen im ZAL Bobruisk begangener Straftaten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

446 = Seite 828 dieses Bandes.