Justiz und NS-Verbrechen Bd.XL

Verfahren Nr.813 - 830 (1974 - 1976)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.830a LG Hamburg 09.03.1976 JuNSV Bd.XL S.823

 

Lfd.Nr.830a    LG Hamburg    09.03.1976    JuNSV Bd.XL S.860

 

eine "Skala von Scheusslichkeiten" entwickelt: drei Kreuze Loyen, zwei Kreuze Riemer; dann "others and Eickhoff".

 

So bleibt für das Schwurgericht insgesamt als gesicherte Erkenntnis, dass Eickhoff hart und grausam gewesen ist - wie es der Mordbefehl und seine Rolle als Lagerleiter mit sich brachten - allerdings keineswegs hätten bringen müssen. Sein Gesamtverhalten vertieft das Unrecht, das in den Tötungen an sich schon liegt, um ein Beträchtliches; aber es schliesst nach der Überzeugung des Schwurgerichts die Strafmilderung nicht aus.

 

Entsprechend muss das Urteil angesichts der Tatsache ausfallen, dass Eickhoff sein Amt im Lager etwa ein Jahr lang geführt hat, und zwar in der charakterisierten Weise. Das spricht zunächst schon und auch letztlich gegen ihn und bekräftigt nicht allein das Unrecht, sondern auch die Schuld: Das Verbrechen trat ihm immer wieder vor Augen. Aber es kann auch nicht verkannt werden: Ein Täter in der Lage des Angeklagten, der nicht von Anbeginn widerstanden hatte, stumpfte bald und zunehmend nachhaltig ab. Das Mass des inneren Kraftaufwandes, den ein Gegensteuern erfordert hätte, musste steil anwachsen. So liegt eine gewisse Ambivalenz auch im Zeitmoment, das zwar gegen Eickhoff spricht, aber immerhin nicht so endkräftig, dass die Strafminderung auszuschliessen wäre.

 

Deshalb war nun zu prüfen, wie die Zeitumstände, deren schuldmindernde Auswirkung oben allgemein begründet worden ist, sich in der Person des Angeklagten Eickhoff konkretisiert und dargestellt haben: Ob vielleicht der Schwere des Verbrechens bei ihm eine besonders einleuchtende Minderung der persönlichen Schuld gegenübersteht:

 

Als er im Oktober 1939 als Freiwilliger zur Waffen-SS kam - gemeinsam mit anderen jungen Leuten, denen die "schwarze Uniform" gefallen hatte - war Eickhoff 18½ Jahre alt. Etwas anderes als die braune Herrschaft hatte er nie kennengelernt, denn bei ihrem Beginn war er noch ein Kind von knapp zwölf Jahren gewesen. Mit zwanzig Jahren, nach der üblichen Ausbildung und Schulung, wurde er Unterscharführer. Im Frühjahr 1942, als er nach schwerer Verwundung, Lazarettaufenthalt und Urlaub in Bobruisk ankam, war er 21 Jahre alt.

 

Es ist schwer zu sagen, was Eickhoff an eigener Orientierung mitgebracht hatte, als er 18jährig der SS beigetreten war. Viel wird es kaum gewesen sein. Er entstammte einfachen Verhältnissen und hatte lediglich die Grundschule durchlaufen. 1935 war er 14jährig konfirmiert worden, hatte bis dahin auch einer kirchlichen Jugendgruppe angehört, die im gleichen Jahre in die HJ überführt worden sein soll. Es liegt auf der Hand, dass die SS mit dem jungen Mann ein leichtes Spiel gehabt hat und keinen Widerstand gefunden haben kann: Der dort geübten, gezielten und systematischen Verformung von Mentalität und Haltung durch harte Disziplinierung und rigorose Gehorsamserziehung waren schon stärkere Naturen erlegen. So gilt alles das für Eickhoff umso mehr, was oben zur ideologisch-geistigen Perversion und über den totalitären Handlungsdruck gesagt worden ist.

 

Als er in Bobruisk eintraf, begann im besetzten Osten die "Endlösung der Judenfrage". Die Einsatzgruppen hatten schon mit Beginn des Russlandfeldzuges ihr blutiges Handwerk angefangen. Nun wurden die Ghettos geräumt; in Vernichtungsstätten bislang unbekannten Ausmasses wurden die Juden vergiftet oder sonstwie umgebracht; aus dem Westen rollten die Güterzüge heran, auch aus dem Reich, und fuhren die Juden in den Tod. Es muss offen bleiben, was der Angeklagte davon im einzelnen gewusst hat. Nur soviel ist sicher: Wer damals in Polen oder Russland bei der SS eingesetzt war, bekam genug mit, um zu wissen, dass hier mit der Ideologie Ernst gemacht wurde, noch brutaler und rücksichtsloser als im Reich.

 

Das war die äussere und innere Situation des Angeklagten, als er von Söldner den Auftrag bekam, die Juden arbeiten zu lassen und sich unnützer Leute zu entledigen. Sein Versagen zu