Justiz und NS-Verbrechen Bd.XL

Verfahren Nr.813 - 830 (1974 - 1976)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.830a LG Hamburg 09.03.1976 JuNSV Bd.XL S.823

 

Lfd.Nr.830a    LG Hamburg    09.03.1976    JuNSV Bd.XL S.839

 

Auf Grund der Aussagen der Zeugen Sis., Lub., W., Erl. und Tug. hält das Gericht es zwar für erwiesen, dass es in der Nähe der Lagerküche ein grösseres mit Wasser gefülltes Bassin gab, in dem die SS-Lagermannschaft Juden in der von den Zeugen beschriebenen Weise quälte; es ist aber nicht sicher, ob einerseits dabei Juden ertranken und andererseits Eickhoff an diesen makabren Spielen beteiligt war.

 

Von den vier Zeugen, die bekundet haben, Augenzeuge solcher "Spiele" gewesen zu sein - Sis., Lub., Erl. und Tug. - berichten, bis auf Sis., alle aus eigenem Erleben am eigenen Leibe. Alle drei haben überlebt, Erl. sogar als Nichtschwimmer. Darüber hinaus haben diese drei Zeugen nicht selbst miterlebt, wie andere Häftlinge ertranken. Das vermuten sie nur oder wollen es von anderen gehört haben. Das allein reicht für eine Verurteilung nicht aus. So bleibt die Aussage des Zeugen Sis., der bekundet hat, dass die Lagermannschaft solche Spiele ständig getrieben habe und dass dabei auch mehrfach Juden ertrunken seien. Dagegen bestehen insoweit Bedenken, als die Mehrzahl der jüdischen Zeugen von derartigen Misshandlungen nichts gehört hat, vielen die Existenz eines Wasserbassins sogar unbekannt war. Gerade zu diesem Punkt sind die Bekundungen des Zeugen Sis. zu undifferenziert, als dass sich allein auf seine Aussage die Feststellung gründen liesse, dass Häftlinge dabei auch ertranken. Es ist nicht auszuschliessen, dass in seiner Erinnerung aus fast Ertrunkenen Ertrunkene geworden sind.

 

Im übrigen lässt sich auch hier nicht mit letzter Sicherheit feststellen, dass sich Eickhoff an solchen Quälereien beteiligte, und wenn er es gelegentlich getan haben sollte, dass gerade dann Juden ertranken. Auch hier bleibt, abgesehen von den Zeugen, die die Misshandlung gerade überlebt haben, die also nicht von einer Mordtat berichten, nur Sis. als einziger Augenzeuge. Dessen Aussage allein reicht hier aus den schon genannten Gründen zu einer Verurteilung nicht aus.

 

3. Zu Aig.

 

Der Angeklagte Aig. war in Debica bei der sogenannten Arbeitsabteilung, die oben schon charakterisiert worden ist. Im April 1942 übernahm Aig. eine Vorausabteilung von 50-60 Mann, die nach Bobruisk ging, um das Waldlager bei Kissjeljewitschi als Quartier für grössere Verbände und für die Arbeitsabteilung selbst, deren Hauptteil in Debica geblieben war, vorzubereiten. Bei der Ankunft des ersten Transportes jüdischer Häftlinge war Aig. mit einer Abteilung Arbeitsschützen zur Bewachung des Marsches vom Abstellgleis zum Judenlager eingesetzt.

 

Die Arbeitsabteilung und damit auch der Angeklagte Aig. hatte mit dem eigentlichen Judenlager und dessen Verwaltung nichts zu tun. Den Arbeitsschützen war es sogar verboten, das Lager zu betreten. Ein Teil der Angehörigen der Arbeitsabteilung kam mit jüdischen Häftlingen jedoch in Berührung, da ihnen die Aufgabe zugewiesen wurde, jüdische Arbeitskommandos zu bewachen. Meist mussten die Arbeitsschützen zum Eingang des Judenlagers gehen und dort das jüdische Arbeitskommando abholen und sie nach Durchführung der Arbeiten, meist am Ende des Arbeitstages, wieder am Lagertor abliefern. Zu diesen Aufgaben wurden die Arbeitsschützen bei dem Morgenappell der Arbeitsabteilung eingeteilt, die sonst keine anderen Aufgaben übernommen oder zugewiesen bekommen hatten. Dies wurde teils von dem Spiess der Abteilung aber auch von Aig., der bei den morgendlichen Appellen meist zugegen war und als Leiter des Aussendienstes fungierte, durchgeführt.

 

Aig. war ohnehin, da Harzer sich um die Abteilung wenig kümmerte, nach aussen der eigentliche Chef der Abteilung. Er war der Vertreter Harzers. Die Abteilung war personell dem Führungshauptamt III in Berlin unterstellt, disziplinarisch und einheitsmässig dem Kommandeur der Nachschubkommandantur Russland Mitte. Der Befehlsweg lief daher vom Kommandeur über dessen Offiziere zu Harzer und Aig., die dann entsprechend den gegebenen