Justiz und NS-Verbrechen Bd.XL

Verfahren Nr.813 - 830 (1974 - 1976)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.830a LG Hamburg 09.03.1976 JuNSV Bd.XL S.823

 

Lfd.Nr.830a    LG Hamburg    09.03.1976    JuNSV Bd.XL S.829

 

auf Inspektionsgängen durch die Unterkünfte der Juden, später auch durch die Krankenbaracke; ausserdem liess er sich auf den Morgenappellen regelmässig den täglichen Krankenstand melden. Die Durchführung solcher Aktionen dürfte er in vielen Fällen anderen überlassen haben; die Bestimmung aber, wann solche Aktionen stattfanden, traf er durchweg selbst, wie es seiner Stellung als Lagerführer entsprach - ausgenommen in Zeiten, zu denen er sich ausserhalb des Waldlagers aufhielt.

 

Derartige Aktionen zur Tötung kranker und schwacher Häftlinge fanden häufig in offenbar unregelmässigen Abständen statt. Sicher ist, dass davon diejenigen betroffen wurden, die krank und schwach in den Baracken zurückblieben, während die anderen zur Arbeit ausgerückt waren. Ob dabei jeweils alle erfasst oder Einzelne ausgenommen wurden, hat nicht geklärt werden können. Zusätzlich wurden manchmal auf Morgenappellen einzelne Häftlinge, die offensichtlich zur Arbeit nicht mehr taugten, zur Tötung herausgesucht. Das war aber nicht die Regel; vielmehr galt, dass, wer noch zur Arbeit ausrücken konnte, von solchen Aktionen verschont blieb.

 

Die Erschiessung der Kranken und Schwachen wurde in einem vom Judenlager etwa 500 bis 1000 m entfernten "Wäldchen" vorgenommen. Dort hatten die Juden schon kurz nach ihrer Ankunft Massengräber ausheben müssen, zu denen später, je nach Bedarf, weitere hinzukamen. Diese Stätte war vom Judenlager und auch von der ausserhalb des Judenlagers eingerichteten Küche nicht einzusehen.

Mottel Sis. und Zucker, die von Eickhoff bestimmten Totengräber, mussten jeweils - auf Befehl Eickhoffs oder eines von ihm beauftragten Mitgliedes der Lager-SS - die Opfer zur Exekutionsstätte schaffen. Das geschah mit Hilfe eines Karrens, auf dem die Kranken - häufig mit Toten zusammen - transportiert wurden; andere schleppten sich selbst dorthin. Waren es viele Opfer, so wurden manchmal noch weitere Juden als Totengräber hinzugezogen; dabei bediente man sich vorzugsweise der in der Küche beschäftigten Häftlinge.

 

Am Exekutionsplatz mussten sich die Opfer entkleiden oder sie wurden, wenn sie dazu zu schwach waren, von den Totengräbern entkleidet. Dann zwang man sie dazu, sich mit dem Gesicht nach unten in die schon mit anderen Toten gefüllte Grube zu legen; wer auch dazu zu schwach war, wurde von den Totengräbern in die Grube gebracht. Durch Schüsse des am Grubenrand stehenden Exekutionskommandos wurden die Opfer getötet. Anschliessend deckten die Totengräber die Leichen mit Chlorkalk und einer dünnen Sandschicht ab. Im Winter, wenn der Boden gefroren war, wurde statt des Sandes Schnee verwendet. So wurden die Gruben Schicht für Schicht mit Toten gefüllt.

 

Die Leitung des Exekutionskommandos und die Aufsicht an der Exekutionsstätte lag immer in den Händen eines Mitgliedes der Lager-SS. Eickhoff ging wiederholt selbst mit und leitete die Exekution, in anderen Fällen bestimmte er den Aufsichtführenden, zuweilen dürften auch andere Mitglieder der Lagermannschaft die Aktionen angeordnet und ausgeführt haben. Aus welchen Männern sich das Exekutionskommando zusammensetzte, hat in der Hauptverhandlung nicht sicher geklärt werden können. Häufig dürfte die Lager-SS die Erschiessung selbst erledigt haben; in anderen Fällen, besonders, wenn es viele Opfer waren, ist wahrscheinlich die Lagerwache - Letten, Ukrainer oder auch Arbeitsschützen der SS - dazu mit herangezogen worden.

 

Eickhoff selbst hat sich in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Fällen selbst an der Erschiessung beteiligt. Im Gegensatz zu den anderen, die mit Karabinern schossen, erschoss Eickhoff die Juden mit seiner Pistole. Wie häufig er Kranke zur Erschiessung bestimmte, die Totengräber beauftragte und das Erschiessungskommando selbst befehligte, wie oft er selbst mitgeschossen hat und wie gross die Zahl seiner Opfer war, ist unaufklärbar. Um allgemeine Schätzungen zu vermeiden, denen leicht etwas Unangemessenes anhaftet, hat das Gericht die eigene Einlassung des Angeklagten zugrundegelegt. Danach hat er mindestens in zehn Fällen