Justiz und NS-Verbrechen Bd.XL

Verfahren Nr.813 - 830 (1974 - 1976)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.830a LG Hamburg 09.03.1976 JuNSV Bd.XL S.823

 

Lfd.Nr.830a    LG Hamburg    09.03.1976    JuNSV Bd.XL S.828

 

und, diesem unter- oder gleichgeordnet, den Obersturmführer Wi. ein. Später war Wi. alleiniger Führer des Judenlagers. Wer sein Nachfolger wurde, ist unklar geblieben. Diese SS-Führer lebten nicht in der neben dem Judenlager für die SS-Lagermannschaft errichteten Baracke sondern zusammen mit den übrigen SS-Führern der Nachschubkommandantur in der Nähe des Eingangs zum Waldlager. Von dort bis zum Judenlager waren es 2 km oder mehr.

 

Söldner und Wi. übten über das Judenlager eine Art Oberaufsicht aus. Sie erteilten der Lagermannschaft generelle Anweisungen über Führung, Behandlung und den Arbeitseinsatz der Juden. Sie inspizierten regelmässig das Judenlager und liessen sich dabei von dem im Lager verantwortlichen SS-Unterführer Bericht erstatten. Im Alltag des Lagers traten weder Söldner noch Wi. hervor. Nur in besonderen Fällen erschienen sie zu Appellen.

Interner Führer des Judenlagers war der Angeklagte Eickhoff, der zusammen mit den übrigen Mitgliedern der SS-Lagermannschaft auch in der Baracke neben dem Judenlager untergebracht war. Als SS-Unterscharführer bekleidete er - neben dem ihm unterstellten Unterscharführer Bot. - den höchsten Rang innerhalb der aus etwa 6 bis 10 Mann bestehenden SS-Lagermannschaft. Er war Stellvertreter Wi.s und Söldners und ihnen verantwortlich für das reibungslose Funktionieren des Lagerbetriebes. Für die jüdischen Häftlinge war Eickhoff infolgedessen schlechthin "der Lagerführer".

Zur Lagermannschaft gehörten, zumindest zeitweilig, u.a.: die Rottenführer Loyen 426 und Sch., ein Däne namens Jörgensen, ferner Kö., Hofer und einer, den die Juden mit "Olala" bezeichneten und der Sturmmann Adolf Riemer.

 

Der Angeklagte Eickhoff war nicht ständig im Lager. Er fuhr später häufiger nach Warschau und führte von dort Materialtransporte nach Bobruisk.

 

Im Juni 1943 wurde Eickhoff nach Beresa-Kartuska und von dort zum Truppenübungsplatz Kurmark versetzt. Sein Nachfolger in der Führung des Judenlagers wurde der Unterscharführer Bot. Unter ihm besserte sich die Lage der Juden; das mag Bot. zu verdanken gewesen sein, kann aber auch daran gelegen haben, dass man die wenigen noch am Leben gebliebenen Juden dringend als Arbeitskräfte benötigte.

 

2. Zu Eickhoff

 

a) Fall III/1 der Anklage

 

Der Hauptsturmführer Söldner hatte kurz vor oder gleich nach Ankunft des ersten Judentransportes Eickhoff und seine SS-Lagermannschaft versammelt und ihnen allgemeine Richtlinien für die Behandlung und Verwendung der Juden gegeben. Dabei hatte er sinngemäss erklärt: "Die Juden sind zum Arbeiten da; lasst sie schuften, bis sie umfallen. Wenn sie nicht mehr können, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Geht dann zur Wachmannschaft und sagt Bescheid; die erledigen das dann."

 

Dieser Anweisung entsprechend wurden in der Zeit von Juni 1942 bis etwa Juni 1943 eine grosse Anzahl erkrankter, wegen allgemeiner Schwäche nicht mehr arbeitsfähiger oder sonst für untauglich gehaltener Juden umgebracht. Darum kümmerten sich Söldner oder Wi. nicht weiter, jedenfalls nicht im einzelnen. Sie überliessen es Eickhoff und seiner Lager-SS, die allgemeine Anweisung auszuführen und in die Tat umzusetzen.

 

Eickhoff bestimmte, wenn es ihm erforderlich erschien, arbeitsunfähige und untaugliche Juden aus dem Lager zu entfernen. Den Überblick über den Krankenstand verschaffte er sich

 

426 Loyen wurde in den Niederlanden vom LG Roermond am 14.12.1976 wegen im ZAL Bobruisk begangener Straftaten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.