Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659b BGH 27.10.1969 JuNSV Bd.XXVI S.821

 

Lfd.Nr.659b    BGH    27.10.1969    JuNSV Bd.XXVI S.825

 

3. Ein Verfahrensfehler nach §338 Nr.5 StPO (i.V.m. §236 StPO) liegt nicht deshalb vor, weil der Angeklagte bei der am 2.August 1967 in Mauthausen auf Beschluss des Schwurgerichts (Bd.120 Bl.23789) durchgeführten Augenscheinseinnahme abwesend war. Diese Augenscheinseinnahme war nicht Teil der Hauptverhandlung, sondern wurde, wie das darüber aufgenommene Protokoll ergibt (Bd.113 Bl.22376), im Wege der Rechtshilfe von einem Mitglied des österreichischen Landesgerichts Linz vorgenommen. Die Anwesenheit der Angeklagten und der deutschen Richter hierbei war nicht erforderlich.

 

Im übrigen hat sich diese Augenscheinseinnahme nur zugunsten des Angeklagten ausgewirkt. Der Verteidiger hatte sie zum Beweise dafür beantragt, dass zwei Zeugen die von ihnen bekundeten Beobachtungen nach den Sichtverhältnissen nicht gemacht haben könnten (Bd.120 Bl.23712). Nur auf diese Sichtverhältnisse erstreckte sich die Augenscheinseinnahme mit dem Ergebnis, dass die den Angeklagten belastenden Bekundungen der beiden Zeugen insoweit ausweislich der Urteilsgründe unberücksichtigt blieben.

 

II. Sachbeschwerden

 

1. Im Falle 1 (versuchter Mord durch Misshandlung eines polnischen Häftlings) beruft sich die Revision darauf, dass die Beweiswürdigung im Widerspruch zu den vom Schwurgericht hierfür festgelegten allgemeinen Grundsätzen stehe. Das Schwurgericht habe nämlich ausgeführt, wegen der ganz erheblichen Anforderungen, die an das richtige Erinnerungsvermögen der Zeugen gestellt würden, habe es die Aussagen besonders vorsichtig gewertet und grundsätzlich die Aussage eines einzigen Zeugen nicht zur Überführung eines Angeklagten für ausreichend gehalten, sei auch der Zeuge von der Persönlichkeit her noch so integer, die Aussage als solche noch so widerspruchsfrei. Nur dort, wo mehrere subjektiv glaubwürdige Zeugen übereinstimmend bestimmte Geschehen geschildert hätten, sei ihnen - und zwar auch hier nur bezüglich bestimmter Kerngeschehen - gefolgt worden (UA S.614). Im Gegensatz hierzu stütze sich das Schwurgericht im Falle 1 allein auf die Aussage des Zeugen Ro., der als einziger das festgestellte Geschehen geschildert habe, während die übrigen in der Beweiswürdigung erwähnten Zeugenaussagen nach den Urteilsausführungen nur ergeben hätten, dass der Vorfall, so wie ihn Ro. bekundet habe, für das Verhalten der SS-Leute in der politischen Abteilung charakteristisch gewesen sei (UA S.650). Der Vorfall könne deshalb nicht als erwiesen angesehen werden.

 

Den allgemeinen Bemerkungen über die Schwierigkeiten der Beweisaufnahme in einem Verfahren wie dem vorliegenden kommt jedoch nicht die Bedeutung zu, die ihnen die Revision beimessen will. Trotz dieser Schwierigkeiten liess sich die Frage, ob der Aussage eines einzelnen Zeugen gefolgt werden konnte, nicht für alle Fälle bindend im voraus, sondern nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalles entscheiden. Das Schwurgericht war daher durch die von ihm aufgestellten allgemeinen Regeln nicht gehindert, dem Zeugen Ro. zu glauben. Es hat die Gründe eingehend und bedenkenfrei dargelegt, auf denen seine Überzeugung von der Richtigkeit der Aussage beruht.

 

Auch sonst hat die Nachprüfung dieses Falles keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Insbesondere hat das Schwurgericht mit Recht das Mordmerkmal der Grausamkeit bejaht.

 

2. In den Fällen 2 und 3 (Mitwirkung bei der Tötung von 47 Fallschirmagenten und den Häftlingen der Welser Gruppe) macht die Revision geltend, dass die Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord nicht rechtfertigten. Das Schwurgericht gehe zwar davon aus, dass der Angeklagte sich mit den Taten einverstanden erklärt und, wie er vorher zugesagt habe, für ihre Vertuschung durch unrichtige Tatberichte gesorgt habe. Hierfür fehle es jedoch an einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage; denn es sei