Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659b BGH 27.10.1969 JuNSV Bd.XXVI S.821

 

Lfd.Nr.659b    BGH    27.10.1969    JuNSV Bd.XXVI S.824

 

Das folgt ausserdem aus der Entstehungsgeschichte des Satzes 2. Diese Vorschrift ist dem ursprünglich nur aus dem ersten Satz bestehenden §169 GVG durch Art.11 Nr.5 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.Dezember 1964 (BGBl. I 1067, 1080) angefügt worden. Der Entwurf sah an ihrer Stelle folgenden zweiten und dritten Absatz vor (BT-Drucksache IV/178 S.12):

(2) Während des Ganges der Hauptverhandlung sind Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen unzulässig. Für die Verkündung des Urteils kann der Vorsitzende aus wichtigen Gründen Ausnahmen zulassen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

(3) Für Filmaufnahmen gilt Abs.2 entsprechend, wenn es sich nicht um Aufnahmen durch das Gericht handelt.

 

Wie der Begründung zu entnehmen ist, sollte durch die Worte "während des Ganges der Hauptverhandlung" klargestellt werden, dass sich das Verbot nicht auf die Zeit vor Beginn und nach Schluss der Hauptverhandlung sowie auf Verhandlungspausen beziehe (a.a.O. S.45, 46). Dieser Geltungsbereich des Verbots wurde in den Beratungen des Rechtsausschusses, die schliesslich auf Grund einer Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums zu der jetzigen Fassung führten, niemals angezweifelt. In keiner der Sitzungen, in denen sich der Ausschuss mit der Bestimmung befasste, erstreckte sich die Aussprache hierauf (vgl. die Protokolle über die 18., 20., 36., 39. und 41.Sitzung sowie den schriftlichen Bericht vom 1.März 1963 - BT-Drucksache IV/1020 -). Ebensowenig wurde im Bundestag und Bundesrat darauf eingegangen. Der Bundesrat wollte es vielmehr zunächst bei dem Wortlaut des Abs.2 Satz 1 des Entwurfes belassen und nur die Sätze 2 und 3 gestrichen haben (vgl. Anlage zur BR-Drucksache 9/62). Danach bedeutet der Wegfall der ursprünglich vorgesehenen Worte "während des Ganges der Hauptverhandlung" keine sachliche Änderung. Diese Worte erübrigten sich durch die unmittelbare Anknüpfung an die alte Vorschrift.

 

Nach allem ist nicht gegen das Verbot des §169 Satz 2 GVG verstossen worden; denn die Aufnahmen wurden nicht während der Hauptverhandlung, sondern während einer Verhandlungspause gemacht. Soweit Eberhard Schmidt in seiner Schrift "Justiz und Publizität" (vgl. insbesondere S.38) die Auffassung vertritt, das in dieser Vorschrift enthaltene Verbot gelte uneingeschränkt für den gesamten Zeitraum vom ersten Aufruf der Sache bis zum letzten Wort der Eröffnung der Urteilsgründe, kann ihm aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Beschämenden Vorkommnissen, wie er sie schildert, kann nur dadurch begegnet werden, dass der Gerichtspräsident auf Grund seines Hausrechts oder der Gerichtsvorsitzende auf Grund seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse Ton- und Bildaufnahme überhaupt untersagt. Dies hätte sich möglicherweise auch hier empfohlen.

 

Ob unabhängig von §169 Satz 2 GVG ein Revisionsgrund vorliegen kann, wenn während einer Sitzungspause Aufnahmen gegen den Willen des Angeklagten und in seiner Anwesenheit gemacht worden sind, hat der Senat nicht zu entscheiden. Hier waren die Beschwerdeführer bei den Aufnahmen nicht anwesend.

 

2. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, dass Pressefotografen während des Ganges der Hauptverhandlung Lichtbilder gemacht hätten, die in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht worden seien. Er erblickt hierin ebenfalls einen Verstoss gegen §169 Satz 2 GVG. Diese Vorschrift erfasst indessen ihrem Wortlaut nach einfache Bildaufnahmen nicht. Ein Verfahrensfehler liegt - die Behauptungen der Revision im übrigen als richtig unterstellt - auch schon deshalb nicht vor, weil es an einem Verschulden des Gerichts fehlt. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Berufsrichter und der Sitzungsstaatsanwälte ist während der Hauptverhandlung keine Erlaubnis zur Aufnahme von Lichtbildern erteilt, auch nicht bemerkt worden, dass Lichtbilder gemacht wurden.