Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.816

 

Er war innerhalb des Konzentrationslager-systems dafür verantwortlich, dass auch nach damaligen Vorstellungen unrechtmässige Tötungen im Rahmen der Untersuchung der sogenannten unnatürlichen Todesfälle aufgeklärt und gegebenenfalls verfolgt wurden. Diese Rolle des Angeklagten war auch unter den damaligen Verhältnissen keine leere Förmlichkeit. Auch während des Krieges sind Tötungen in Konzentrationslagern, sofern sie den Strafverfolgungsbehörden bekannt geworden waren, durch die ordentlichen Gerichte verfolgt worden. So waren zwei Urteile des Landgerichts München, eines vom 4.November 1940 - 5 KLs 122/40 - und das andere vom 28.Mai 1942 - 5 KLs 19/42 - Gegenstand der Hauptverhandlung. In beiden Fällen sind Funktionshäftlinge des Konzentrationslagers Dachau vom Landgericht München wegen unrechtmässiger Tötung von Mithäftlingen zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Zwar kann nicht nachgewiesen werden, dass der Angeklagte diese Fälle kannte, und es ist auch zu berücksichtigen, dass es sich nicht um die Verurteilung von SS-Leuten handelt. Diese Fälle zeigen aber, dass das Einschreiten gegen unrechtmässige Tötungen im Konzentrationslager unter den damaligen Bedingungen nicht völlig zwecklos war. Der Angeklagte hat dies auch gar nicht in Abrede gestellt. Er hat nur darauf hingewiesen, dass seiner Meinung nach etwas Derartiges im Konzentrationslager Mauthausen nicht möglich gewesen wäre, und zwar deshalb nicht, weil der Lagerkommandant Ziereis es nicht zugelassen hätte. Diese Einlassung konnte ihm zwar nicht widerlegt werden, lässt die Schuld des Angeklagten aber nur in wenig milderem Licht erscheinen: Er hat, wie erwiesen ist, gar nicht den Versuch unternommen, etwas gegen die inoffizielle Massentötung der Fallschirmagenten zu unternehmen. Dabei hätte es genügt, wenn er den Lagerkommandanten darauf hingewiesen hätte, man setze sich möglicherweise Unannehmlichkeiten aus, wenn man diese Leute ohne offizielle Exekutionsbefehle töte; es sei zweckmässig, eine eventuelle offizielle Exekutionsanordnung abzuwarten. In diesem Fall hätte ihm der Lagerkommandant entweder erklären müssen, es handele sich um einen Befehl, die Häftlinge zu töten, oder die Tötung der Fallschirmagenten wäre jedenfalls vorerst hinausgeschoben worden. Es hätte keines besonderen Mutes seitens des Angeklagten bedurft, in dieser Weise etwas gegen die Tötung der Fallschirmagenten zu unternehmen. Er hätte sich lediglich auf seine Funktionen als SS-Gerichtsführer und Bearbeiter der unnatürlichen Todesfälle zu berufen brauchen. All dies hat er aber nicht getan, weil er mit dem Vorgehen des Lagerkommandanten einverstanden war.

 

Andererseits hat das Schwurgericht nicht ausser acht gelassen, dass der Angeklagte sich innerhalb seiner Funktionen gehalten hat und keinen darüberhinausgehenden Tatbeitrag aus eigenem Antrieb geleistet hat, wenn man von Anschnauzen des Zeugen Stro., welches allerdings auch wenigstens mittelbar der Förderung der Tat diente, absieht.

 

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hält das Schwurgericht in diesem Fall die höchste zeitliche Freiheitsstrafe von (15) fünfzehn Jahren Zuchthaus für schuldangemessen.

 

c) Beihilfe zum Mord an 14 Häftlingen der Welser-Gruppe am 18. und 19.September 1944 (oben D I. 3.)

 

Für die Strafzumessung gelten hier im wesentlichen die gleichen Erwägungen wie bei der Beihilfe zur Tötung der 47 Fallschirmagenten. Tathergang und Tatbeitrag des Angeklagten sind in beiden Fällen im wesentlichen gleich. Die unterschiedliche Zahl der Opfer kann nach der Überzeugung des Schwurgerichts bei der Strafzumessung nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Tathergang und Tatbeitrag des Angeklagten waren so geartet, dass die Anzahl der Opfer von nur untergeordneter Bedeutung war. Wesentlicher ist in beiden Fällen, dass nach dem Tatplan eine ganze Gruppe von Häftlingen getötet worden ist, also nicht nur ein einzelner. Hinzukommt in diesem Falle aber, dass der Angeklagte eine nähere Beziehung zu den Opfern hatte als im Fall der Tötung der 47 Fallschirmagenten. Die Häftlinge der Welsergruppe sind unter seiner Verantwortung zuvor vernommen worden; und der Angeklagte