Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.81

 

gleich Kowno noch die Zeichen der Eroberung. Das am 5.7. eingetroffene Vorkommando des Angeklagten H. hatte in einer Seifenfabrik für das Kommando Quartier gemacht und die Stadt kurz nach dem Eintreffen des Hauptkommandos um den 7./8.7. herum wieder in Richtung Rositten verlassen. Das Hauptkommando folgte am 10.7.1941 dem Vorkommando nach Rositten nach.

Auch in Dünaburg befand sich während dieser Zeit kein anderes Einsatzkommando oder Teile davon oder ein anderes der Einsatzgruppe A unterstelltes Kommando. Es war lediglich ein von den Letten aus der einheimischen Bevölkerung aufgestellter Polizeihilfsdienst unter dem ehemaligen lettischen Hauptmann Petersens vorhanden. Von dem EK 1b selbst waren während der Zeit in Dünaburg etwa 20-25 Mann zu auswärtigen Sonderkommandos zeitweilig abgestellt; sie kehrten dann erst hinter Dünaburg zum Kommando wieder zurück.

 

Von Dünaburg aus rückte das EK 1b weiter nach der ca. 90 km entfernten lettischen Stadt Rositten vor. Auch hier war wieder ein Vorkommando unter dem Angeklagten H. um den 7./8.7. herum vorausgezogen, während das Hauptkommando am 10.7. in Dünaburg aufgebrochen war. In Rositten war ebenfalls beim Einzug der deutschen Truppen eine lettische Hilfspolizei aufgestellt worden, die etwa 150 Mann stark war und von dem Präfekten Matsch befehligt wurde. Ein anderes Kommando ausser dem EK 1b war nicht anwesend.

In Rositten stiess jedoch neu zu dem Einsatzkommando von 1b der Angeklagte K. hinzu, der SS-Hauptsturmführer war. Er war mit dem Einsatzkommando 3 in Kowno eingerückt und hatte sich dann von diesem Kommando weggemeldet und war dem EK 1b, das er sodann in Rositten erreichte, zugeteilt worden.

Von Rositten aus zog das Einsatzkommando 1b, stets im Schatten der kämpfenden Truppe, weiter in Richtung auf Leningrad. Zu Feststellungen über diesen weiteren Vormarsch des EK 1b im einzelnen hat das Verfahren jedoch keinen Anlass gegeben.

 

b. Das EK 1b hatte am 28.6.1941 die litauische Hauptstadt Kowno als erstes Einsatzkommando hinter der kämpfenden Truppe erreicht. Am folgenden Tage, am 29.6.1941, erschien in Kowno Brigadeführer Dr. Stahlecker, der Führer der Einsatzgruppe A, deren Gruppenstab in Riga lag. Er traf mit dem Angeklagten E. zusammen und gab ihm bei einer Unterredung Kenntnis sowohl von der besonderen Aufgabe der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, der Vernichtung der Juden allein aus rassischen Gründen, wie auch vom Inhalt des "Barbarossabefehls" vom 13.5.1941. Er liess den Angeklagten E. wissen, dass beide Befehle, der Judenvernichtungsbefehl Hitlers wie auch der Befehl über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa, auch ihm und seinem Einsatzkommando gelten würden und unbedingt auszuführen seien.

Der Angeklagte E. hatte das Unrecht der beschlossenen Judenvernichtung allein aus rassischen Gründen hierbei erkannt. Dem von E. vorgebrachten Zweifel an der Rechtmässigkeit des Judenvernichtungsbefehls begegnete Stahlecker mit dem Hinweis darauf, dass jede Zuwiderhandlung Führer-Hochverrat sei. E. widersetzte sich dem Befehl nicht. Er war ein treuer und unbeirrbarer Gefolgsmann des Nationalsozialismus, dem er sich verschrieben hatte. Deshalb kam es ihm auch nicht in den Sinn, irgendwelche Möglichkeiten zu erwägen, sich dem Befehl zu entziehen. Er hatte in ihm den Befehl erkannt, auf dem Vormarsch seines Kommandos alle Juden zu erfassen und zu erschiessen. Es war ihm auch bekannt, dass der Befehl die von Hitler und dessen nächster Umgebung geplante Ausrottung der jüdischen Rasse in Europa bezweckte, die er durch die Ausführung des Befehls fördern würde.

 

2. Erschiessungen in Kowno

 

Der Angeklagte E. handelte fortan nach dem genannten Judenvernichtungsbefehl.

Auf seine Anordnung, teilweise auch in seinem Beisein, wurden in Kowno in der Zeit vom 29.6. - 4.7.1941 wenigstens 185 Juden, allein weil sie Juden waren, von Kommandoangehörigen seines EK 1b, teilweise auch mit Unterstützung der lettischen Hilfspolizeikräfte erschossen. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts handelte es sich dabei um nachfolgende Erschiessungen, deren zeitliche Reihenfolge nicht mehr ermittelt werden konnte.