Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.803

 

Weise, dass den Erschossenen die Armkette mit der Häftlingsnummer abgenommen wurde. Die gesammelten Armketten wurden jeden Abend dem Rapportführer Bühner übergeben und dieser liess anhand der Häftlingsnummern die täglichen Todesmeldungen herstellen.

 

Ausser den in den täglichen Todesmeldungen aufgeführten Toten müssen aber noch 8 weitere Häftlinge auf dem Rückmarsch erschossen worden sein. Dies ergibt sich aus dem Inhalt zweier weiterer an die politische Abteilung in Mauthausen gerichteten Aufstellungen, nämlich:

a) über sämtliche in der Zeit vom 31.3. bis 7.4.1945 verstorbene Häftlinge des Nebenlagers Mödling - also einschliesslich der im Revier von Hinterbrühl getöteten - (Bl.117 ff. des Ordners "Einzelfälle"); diese Liste enthält nach der namentlichen Zusammenstellung der toten Häftlinge den Vermerk "+ 8 unbekannte Tote";

b) über "54 geflüchtete und 8 unbekannte tote Häftlinge" vom 12.4.1945 (Bl.122 f. des Ordners Einzelfälle).

 

Aus diesen beiden Listen ergibt sich, dass während des Rückmarsches nicht nur - wie aus den Todesmeldungen vom 1.-7.4.1945 entnommen werden könnte - 142 Häftlinge, sondern insgesamt 150 Häftlinge getötet worden sind, wobei die zunächst als unbekannt gemeldeten 8 toten Häftlinge während des letzten Marschtages von St. Valentin nach Mauthausen am 8.4.1945 erschossen worden sein dürften. Für diesen Tag fehlt nämlich eine Todesmeldung, obwohl sich andererseits aus den Aussagen der Zeugen Nov., Fro. und De. ergibt, dass an diesem Tage noch mehrere Häftlinge erschossen worden sind.

 

Möglicherweise handelt es sich aber bei den 8 unbekannten Häftlingen um solche, die bei einem echten Fluchtversuch erschossen worden sind. Auch bei den 142 namentlich festgestellten "Verstorbenen" mögen sich einige befinden, die nicht erschossen worden sind, weil sie vor Entkräftung zusammengebrochen waren, sondern deshalb, weil sie einen Fluchtversuch unternommen hatten (wenngleich dies kaum anzunehmen ist, weil sonst nach den üblichen Regeln als Todesursache nicht einfach "verstorben" sondern "auf der Flucht erschossen" angegeben worden wäre). Die genaue Anzahl derjenigen Häftlinge, die aufgrund des Liquidierungsbefehls ausschliesslich deshalb getötet wurden, weil sie vor Entkräftung zusammengebrochen waren, lässt sich daher nicht mit Sicherheit ermitteln. Da diese Tötungen aber ausschliesslich Gegenstand des Verfahrens sind, kann insoweit nur von einer unbestimmten Vielzahl von Tötungshandlungen ausgegangen werden und nicht - wie Anklage und Eröffnungsbeschluss angenommen haben - von einer bestimmten Anzahl von einhundertundfünfzig.

 

Die Einlassung des Angeklagten, er trage für die Erschiessung der marschunfähigen Häftlinge im Verlauf des Evakuierungsmarsches keinerlei Verantwortung, er habe keine dahingehende Anweisung gegeben und überhaupt erst später in Mauthausen von dem Tatgeschehen erfahren, er sei durch den Kommandanten Ziereis von seinen Verpflichtungen als Lagerführer entbunden gewesen, diese Einlassung ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.

 

Es wurde bereits oben unter D II 4 ausführlich dargelegt, dass der Angeklagte zu keiner Zeit seiner Funktion als Lagerführer enthoben gewesen ist, dass er den an ihn gerichteten Befehl, kein Häftling dürfe in Feindeshand fallen, empfangen und für seine Durchführung zunächst insoweit Sorge getragen hat, dass er alle revierkranken Häftlinge ermorden liess. Damit ist gleichzeitig bewiesen, dass der Angeklagte für die Durchführung des ihm erteilten Befehls auch insoweit Sorge getragen hat, als er darüberhinaus Anweisung gegeben haben muss, alle Marschunfähigen auf dem Rückmarsch zu erschiessen. Eine andere Möglichkeit ist nicht denkbar. Denn wenn der Angeklagte - wie festgestellt - Lagerführer geblieben ist, den an ihn gerichteten Befehl als erster empfangen und geöffnet hat und daraufhin die in diesem Befehl