Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.801

 

8.4.45: ST. VALENTIN - MAUTHAUSEN: Wechselnde, im Laufe des Tages stark abnehmende Bewölkung und sehr sonnig. Trocken. Temperaturen von 2°-14° C.

 

Hiernach war es während des Rückmarsches zwar für die Jahreszeit verhältnismässig warm; doch hat es am 3.4., 4.4., 6.4. und 7.4. zeitweise geregnet, am 2.4. herrschte in Altenmarkt Morgennebel und die nächtlichen Tiefsttemperaturen lagen meist nur wenig über dem Gefrierpunkt. Dass bei diesen Wetterverhältnissen die Wiesen, auf denen die Häftlinge rasteten, feucht waren und sie infolge unzureichender Kleidung und nur einer Decke nachts stark froren und kaum zum Schlafen kamen, lässt sich als Erfahrungsschluss ziehen und wird zudem durch zahlreiche Zeugenaussagen bestätigt, die hier im einzelnen nicht aufgeführt zu werden brauchen.

 

Dass die Häftlinge bis auf eine Nacht in Scheibbs ständig im Freien geschlafen haben, ergibt sich aus der übereinstimmenden Aussage aller hierzu vernommenen Zeugen, die an dem Rückmarsch als Häftlinge teilgenommen haben. Die Zeugen Nov., De., Laf., Rze., Köt. und Hof. können sich jedoch noch erinnern, dass die Häftlinge während einer Nacht in einem Rohbau ohne Fenster genächtigt hätten. Dies muss nach der Überzeugung des Gerichts in Scheibbs gewesen sein. Der ortskundige Zeuge Hof. hat dies ausdrücklich bekundet; die übrigen Zeugen erinnern sich, dass der Rohbau in einer kleinen Stadt war, und Scheibbs war tatsächlich die einzige grössere Ortschaft von städtischem Charakter, über die der Rückmarsch führte.

 

Dass das Schuhwerk der Häftlinge für einen derartigen Gewaltmarsch völlig unzureichend war und aus Holzsohlen mit Lederoberteil bestand, haben die Zeugen Bil., Gin., Agu., De., Ru., Laf., Hal. und Ad. übereinstimmend bekundet. Insoweit hat das Gericht an der Richtigkeit der Aussagen keinen Zweifel, ebensowenig wie an der Aussage des Zeugen Hal. und Ad., dass viele Häftlinge während des Marsches das unzureichende Schuhwerk ausgezogen haben und lieber barfuss gelaufen sind.

 

Dass die Häftlinge zumindest überwiegend mit Mänteln und je einer Decke versehen waren unterstellt das Gericht trotz einiger widersprechender Zeugenaussagen zugunsten des Angeklagten. Denn die Zeugen Cor., Laf., Mor. und Prz. können sich positiv daran erinnern, dass sie Mäntel und Decken gehabt haben. - Wahrscheinlich ist es so gewesen, dass Mäntel und Decken, soweit sie vorhanden waren, auf dem Marsch mitgenommen wurden und dass diejenigen Häftlinge, die entweder keine Decke oder keinen Mantel besassen, nichts erhielten.

 

Ebenso hat das Gericht zugunsten des Angeklagten unterstellt, dass die Verpflegung während des Rückmarsches, gemessen an den Verhältnissen in einem Konzentrationslager, normal war. Aus den Aussagen der Zeugen Ma., Agu., De., Ru., Cor., Mor., Rze., Prz. und Sche. folgt, dass die Häftlinge vor dem Abmarsch als Marschverpflegung Brot, etwas Margarine und ein Stück Wurst erhielten. Während des Marsches gab es dann abends auf den Rastplätzen warme Suppe aus der mitfahrenden Feldküche (dies jedoch nach den Aussagen der Zeugen Nov., Bil. und Rze. möglicherweise erst vom dritten Marschtag ab) und weiter noch einige Male Brot mit Wurst oder Margarine. - Eine genaue Feststellung über den Umfang der Marschverpflegung lässt sich in Anbetracht der Widersprüche in den einzelnen Zeugenaussagen zu diesem Punkte nicht mehr treffen. Zugunsten des Angeklagten wird daher unterstellt, dass die Verpflegung auf dem Marsch nicht schlechter war als in einem Konzentrationslager üblich.

 

Zusammenfassend ist zu den Verhältnissen auf dem Rückmarsch zu sagen, dass infolge des erheblichen täglichen Marschpensums bei bergiger Strecke, wegen des für einen solchen Gewaltmarsch völlig unzureichenden Schuhwerks und insbesondere aufgrund der Tatsache,