Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.80

 

C. Aus der Tätigkeit beim Einsatzkommando 1b (EK 1b) - die Angeklagten E., H., K. und Ku.

 

I. Tatsächliche Feststellungen: Kowno - Dünaburg - Rositten

 

1. Das Einsatzkommando 1b

 

Das EK 1b wurde vom Angeklagten E., der damals SS-Obersturmbannführer war, geführt. Die Angeklagten H. und Ku., beide SS-Obersturmführer, gehörten ihm ab Mai/Juni 1941 an, während der Angeklagte K., damals SS-Hauptsturmführer, zunächst dem EK 3 angehörte und erst später, Anfang Juli 1941, zum EK 1b versetzt wurde.

Das EK 1b war 70-80 Mann stark und voll motorisiert. Wie bei allen anderen Einsatzkommandos auch, kamen seine Angehörigen von der Gestapo, dem SD, der Kripo und der Waffen-SS; sie waren wenige Wochen vor Beginn des Russlandfeldzuges aus allen Teilen des Reiches in der Polizeischule Pretzsch/Elbe zusammengezogen worden; sie wurden dort und in den dazugehörigen Orten Düben und Bad Schmiedeberg mit Ausrichtung auf ihren bevorstehenden Einsatz hin ausgebildet. Feststellungen über eine besondere Ausbildung oder Unterweisung hinsichtlich der den Einsatzgruppen zusätzlich erteilten Aufgabe der Judenvernichtung konnten nicht getroffen werden. Die Kommandoangehörigen wurden jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass von ihnen grosse Härte im Einsatz verlangt werde.

Bei Beginn des Russlandkrieges rückte auch das EK 1b der Einsatzgruppe A von Pretzsch zum Einsatz aus. Zu diesem Zeitpunkt waren die Einsatzgruppenführer über die Aufgaben der Einsatzgruppen und der Einsatzkommandos und vor allem über die ihnen zusätzlich übertragene Aufgabe der Judenvernichtung unterrichtet. Ob und inwieweit die Einsatzgruppenführer noch in Pretzsch ihren Einsatzkommandoführern davon Kenntnis gaben, konnte nicht festgestellt werden. Vor allem konnten keine sicheren Feststellungen darüber getroffen werden, ob der Angeklagte E. als Führer des EK 1b schon damals darüber unterrichtet worden war. Der Angeklagte E. war erst wenige Tage vor Abmarsch von Pretzsch dorthin kommandiert worden und hatte das EK 1b erst zu diesem Zeitpunkt von dem zuvor dafür eingeteilten Regierungsrat vom Felde übernommen.

 

a. Die Marschroute des EK 1b ging über Gumbinnen nach Kowno (Litauen) - Dünaburg Rositten (beide Lettland) und sodann in Richtung auf Leningrad.

Nach mehrtägigem Aufenthalt in Gumbinnen erreichte das EK 1b am 28.6.1941 nahezu geschlossen - einige PKWs waren nur um wenige Stunden vorausgefahren - die Litauische Hauptstadt Kowno. Dort bezog es in einem ehemaligen Gewerkschaftsgebäude Quartier. Kowno war am 25.6. - also 3 Tage, bevor das EK 1b nach Kowno kam - von deutschen Truppen besetzt worden. Die Stadt trug noch die Zeichen des Krieges, sie brannte noch an einigen Stellen und hin und wieder fielen auch noch Schüsse.

Das EK 1b verblieb bis zum 3.7.1941 geschlossen in Kowno. An diesem Tage brach ein Vorkommando unter Führung des Angeklagten H. in Richtung des etwa 200 km entfernten lettischen Städtchen Dünaburg auf. Das Gros des Kommandos folgte diesem Vorkommando am 5.7., etwa an dem Tage, an dem das Vorkommando spätestens Dünaburg erreicht hatte, und traf selbst um den 6./7.7. herum in Dünaburg ein.

In Kowno war das EK 1b von dem EK 3, das von Standartenführer Jäger befehligt wurde, abgelöst worden. Die Spitze dieses Kommandos unter dem Zeugen Gr. wurde noch von den restlichen dazu in Kowno zurückgebliebenen 2-5 Mann des EK 1b, darunter der Angeklagte Ku., in die Quartiere eingewiesen.

Das EK 3 unterschied sich in seinen Aufgaben vom EK 1b darin, dass es nicht, wie das EK 1b der kämpfenden Truppe zu folgen hatte, sondern dass es stationär für Litauen vorgesehen war. Es war darum auch weit stärker - etwa 200 Mann - als das EK 1b, das nicht einmal 100 Angehörige zählte.

In Kowno hielt sich kein anderes Einsatzkommando oder Teile eines solchen oder ein sonstiges Kommando der Einsatzgruppe A gleichzeitig mit dem EK 1b auf. Nur das Heer hatte einen Kommandostab dort liegen.

 

Auch Dünaburg, das am 26.6.1941 von deutschen Truppen genommen worden war, trug