Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.799

 

Nachdem das Lager am Abend eingetroffen war, liess sich der Angeklagte von Bühner Bericht erstatten und ging dann in ein von ihm requiriertes Privatquartier, um dort die Nacht zu verbringen.

 

Am nächsten Morgen, dem 2.4.1945, fuhr er mit dem Zeugen Pol., seinem Burschen "Max" und seinem Hund "Hasso" im PKW weiter zum nächsten Rastort Scheibmühl, legte dort wiederum auf einer Weide den Platz fest, auf dem die Häftlinge die Nacht zu verbringen hatten, und begab sich dann in ein Privatquartier.

Nachdem das Lager eingetroffen war, liess er sich Bericht erstatten, insbesondere auch über die an diesem Marschtag besonders zahlreichen Häftlingserschiessungen. Es waren - wie oben festgestellt - 45 Häftlinge erschossen worden. Am Morgen des 3.4.1945 fuhr er zusammen mit dem Zeugen Pol. zum nächsten Rastplatz nach Kirchberg, bestimmte dort die Lagerstätte im Freien, liess sich nach Ankunft des Lagers Bericht erstatten und begab sich für die Nacht zu seinem Quartier. Am Morgen des 4.4.1945 fuhr er dann mit dem Zeugen Pol. nach der kleinen Stadt Scheibbs und machte dort in einem fensterlosen Neubau Quartier für die Häftlinge. Hier verliess er - nachdem er möglicherweise noch das Eintreffen der Häftlinge abgewartet hatte - die Marschkolonnen und fuhr mit seinem PKW vermutlich nach Goisern, wohin er seine Familie evakuiert hatte.

Die Häftlinge marschierten am nächsten Morgen unter der Leitung des Rapportführers Bühner weiter und erreichten nach 4 weiteren Marschtagen das Hauptlager Mauthausen. Am letzten Marschtag, dem 8.4.1945, war der Angeklagte - wahrscheinlich von Goisern kommend - wieder zu ihnen gestossen und nahm am Lagertor stehend den Vorbeimarsch der Häftlinge ab.

 

Der Angeklagte lässt sich zu dem festgestellten Sachverhalt wie folgt ein:

 

Er sei zum Zeitpunkt des Rückmarsches - wie er bereits zu D II 4 ausgeführt habe - nicht mehr Lagerführer gewesen; vielmehr sei er von Ziereis zur Evakuierung seiner Familie freigestellt worden; die Oberleitung des Rückmarsches sei SS-Hauptsturmführer Schmutzler übertragen worden, der seinerseits für den Fall seiner - Schmutzlers - Abwesenheit den Rapportführer Bühner mit der Leitung beauftragt haben müsse.

Er - der Angeklagte - sei zwar aus Pflichtbewusstsein und weil er nicht als ein Feigling habe gelten wollen, der seine Leute im Stich gelassen habe, noch für 2½ Tage bei der Marschkolonne geblieben, habe aber keinerlei Anordnungen mehr erteilt, sondern lediglich die ersten drei Rastplätze in Altenmarkt, Scheibmühl und Kirchberg bestimmt. Dann sei er nach Goisern zu seiner dorthin evakuierten Familie gefahren, einige Tage geblieben und habe sich dann am 8.4. nach Mauthausen begeben, wo das Lager Hinterbrühl wenig später eingetroffen sei.

Die Unterschrift unter den einzelnen Todesmeldungen stammten zwar von seiner Hand; doch habe er sie nicht täglich während des Rückmarsches sondern alle zusammen in Mauthausen unterschrieben. Der Schutzhaftlagerführer Bachmayer sei nämlich nach dem 8.4.1945 zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, die Abwicklungsunterlagen für das Lager Hinterbrühl zu unterschreiben, weil Schmutzler nicht da sei. Das habe er auch getan. Doch habe er sich im Einzelnen nicht durchgelesen, was er unterschrieben habe. Unter den ihm vorgelegten Abwicklungsunterlagen müssten sich wohl auch die Todesmeldungen für die Zeit des Rückmarsches befunden haben.

Von den Erschiessungen während des Rückmarsches habe er erst später in Mauthausen erfahren. Keinesfalls habe er selbst auf dem Rückmarsch einen Häftling erschossen oder eine solche Erschiessung auch nur gesehen.

 

Die Einlassung des Angeklagten ist im Sinne der getroffenen Feststellungen widerlegt.

 

Dass der Rückmarsch von Hinterbrühl aus über die Rastplätze Altenmarkt (28 km), Scheibmühl (31 km), Kirchberg (20 km) Scheibbs (31 km), St. Leonhard am Walde (28 km),