Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701b BGH 17.08.1971 JuNSV Bd.XXXI S.795

 

Lfd.Nr.701b    BGH    17.08.1971    JuNSV Bd.XXXI S.797

 

Die Entscheidung, durch die der Pflichtverteidiger bestellt wird, unterliegt gemäss §336 StPO der Beurteilung des Revisionsgerichts (BGH Urteile vom 19.Juli 1960 - 5 StR 255/60 und 15.Juli 1969 - 1 StR 244/69 bei Dallinger, MDR 1969, 903). Dasselbe gilt für die Entscheidung, durch die der Antrag eines Angeklagten, den ihm bestellten Pflichtverteidiger abzuberufen, abgelehnt wird.

 

Wird der Antrag jedoch bereits im Vorverfahren abgelehnt, hat der Angeklagte gemäss §304 Abs.1 StPO die Möglichkeit, das Beschwerdegericht anzurufen, das abschliessend über die Abberufung des Pflichtverteidigers entscheidet (vgl. RGSt. 67, 310, 312). Ob in einem solchen Fall diese Frage dann nochmals der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, kann hier dahingestellt bleiben; denn der Vorsitzende hat in der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Verwerfung des Antrages auf Ablehnung des Schwurgerichts bestätigt, dass es bei der Pflichtverteidigerbestellung des Rechtsanwalts Has. verbleibt. Damit konnte diese Frage im vorliegenden Fall auch Gegenstand der Revisionsprüfung sein.

 

Gemäss §142 Abs.1 StPO wählt der Vorsitzende des Gerichts den Pflichtverteidiger aus. Der Angeklagte hat keinen Anspruch auf die Bestellung eines von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger (BVerfGE 9, 36), doch ist es in der Regel geboten, ihm den Anwalt seines Vertrauens beizuordnen (BVerfGE 1, 109, 114; 9, 36). Der Vorsitzende kann daher nicht nach Belieben oder Willkür verfahren, sondern hat die Auswahl unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nach seinem pflichtgemässen Ermessen zu treffen. Das Revisionsgericht hat deshalb seine Entscheidung nur darauf zu überprüfen, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH Urteil vom 19.Juli 1960 - 5 StR 255/60).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu verfahren, wenn ein Angeklagter mit der Begründung, er habe kein Vertrauen mehr zu dem ihm bestellten Pflichtverteidiger, dessen Abberufung verlangt.

 

Die Ablehnung des hier von dem Angeklagten gestellten Antrages, Rechtsanwalt Has. abzuberufen, ist nicht ermessensfehlerhaft gewesen. Dem Antrag eines Angeklagten, den ihm bestellten Pflichtverteidiger abzuberufen, weil er kein Vertrauen mehr zu ihm besitze, ist allenfalls dann zu entsprechen, wenn das Vertrauensverhältnis ohne seine Schuld gestört worden ist (OLG Hamm NJW 1958, 641 Nr.23; Dünnebier in Löwe-Rosenberg, StPO 21.Aufl. §§141-143 Anm.I 4 d).

 

Davon kann hier keine Rede sein.

 

Die von dem Beschwerdeführer gegen Rechtsanwalt Has. erhobenen Vorwürfe sind, wie das Oberlandesgericht Stuttgart in seinem in diesem Verfahren ergangenen Beschluss vom 5.November 1968 - 1 Ws 216/68 - zutreffend dargelegt hat, unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Anwalt seiner unter eigener Verantwortung und unabhängig vom Angeklagten durchzuführenden Aufgabe, dessen Schutz zu dienen und dadurch zur Findung eines gerechten Urteils beizutragen (BGHSt. 13, 337, 343), nicht gerecht geworden ist. Dazu reicht es nicht aus, dass der Anwalt im Vorverfahren mit dem Angeklagten nicht in dem von diesem gewünschten Ausmass zusammengearbeitet hat, denn das Schwergewicht liegt im Strafverfahren in der Hauptverhandlung, auch soweit es die Stellung von Beweisanträgen anbelangt. Ein solcher Vorwurf ist auch nicht schon deshalb berechtigt, weil ein Anwalt seinem Mandanten zunächst abrät, einen von diesem gewünschten Beweisantrag zu stellen, ihn dann aber zu einem späteren Zeitpunkt doch beim Gericht einreicht.

 

Das muss auch ein Angeklagter bei vernünftiger Betrachtung seiner Situation erkennen, zumal wenn er, wie der Beschwerdeführer, einige Semester Rechtswissenschaft studiert hat. Soweit die Revision sich dagegen wendet, dass der Antrag auf Ablehnung des Schwurgerichts als unzulässig verworfen worden ist, weil die hierzu vorgebrachten Tatsachen nicht die Unparteilichkeit der einzelnen Richter berühren, ist sie offensichtlich unbegründet.