Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.795

 

nicht vom Hören-Sagen, erinnern kann. Gerade Tho. hat in seinen frühen schriftlichen Berichten kurz nach dem Krieg vielfachst die Rolle Dr. Breslers und seine Kontakte mit ihm geschildert. Mit keinem Wort aber hat er jemals in seinen Aufzeichnungen das Schicksal Dr. Breslers, wie es Eng. wahrhaben will, angedeutet, wie es sich, wäre es so und hätte er es damals im Lager erfahren - und gerade er hätte es erfahren müssen - sich geradezu für ihn aufdrängen musste, davon dann auch zu berichten.

 

Berücksichtigend, dass er nur einmal, nämlich in der Hagener Aussage 1965, die dem Angeklagten angelastete Tat bestätigt hat, sonst aber nicht, und in seinem, inhaltlich als wahr unterstellten, Brief an den World-Jewish-Congress 1963 geschrieben hat, der Arzt Dr. Bresler sei mit seinem Sohn in Sobibor gewesen, und es sei möglich, dass einer der beiden das Lager überlebt habe, so deutet das an, dass er auch noch bei dieser Gelegenheit, trotz der an ihn ergangenen Anfrage, ob Dr. Bresler damals getötet worden sei, sich daran nicht erinnert hat, oder sogar sein Überleben für möglich erachtet hat. Seine Information an den World Jewish Congress schloss sogar die Möglichkeit ein, dass Dr. Bresler oder sein Sohn nicht einmal bei dem Aufstand getötet, sondern noch entkommen seien. Wäre der Tod Dr. Breslers noch vor dem Aufstand für Tho. sicher gewesen, so hätte er dies damals entsprechend zum Ausdruck gebracht.

 

Auch wenn dem Zeugen Tho. abzunehmen ist, dass er sich während des ersten Hagener Verfahrens nicht hat von Miriam Novitch beeinflussen lassen, reicht seine damalige, im Hagener Verfahren abgegebene Erklärung nicht aus, um diesen Zeugen noch dafür heranzuziehen, um den Tatverdacht gegen Frenzel als erhärtet anzusehen.

 

Die Aussagen der Zeugen Philipp Bia., We. und Ron. belegen allenfalls, dass Dr. Bresler im Lager war, zur Aufklärung seines Lebensschicksals bieten sie keine weiteren Informationen.

 

Der Zeuge Ler. hat den Eindruck vermittelt, dass er, seiner auch sonst in der Hauptverhandlung gezeigten Einstellung entsprechend, nur noch das zu erklären, woran er sich sicher erinnere, über Dr. Bresler möglichst wenig Konkretes sagen wollte. So wie er sich insgesamt ausgedrückt hat, geht er aber wohl davon aus, dass Dr. Bresler bis zum Schluss gelebt haben dürfte. Ähnlich hat sich der Zeuge Szm. verhalten, der, allerdings im Probationsverfahren stärker, gemeint hat, er sei über die Lagervorfälle so gut unterrichtet gewesen, dass er es eigentlich hätte mitbekommen müssen, wenn Dr. Bresler ermordet worden wäre; sichere Erkenntnisse lassen sich auf diese beiden Zeugen daher nicht stützen.

 

Auch die Zeugin C.-Z. hat mit ihrer Aussage wenig Klarheit verschafft. Deutlich ist jedenfalls aus ihrer Aussage geworden, dass sie nicht bekunden will, sie habe schon im Lager gehört, Dr. Bresler sei getötet worden. Ihre Erklärung, sich mit zunehmender Zeit immer besser an diesen Vorfall erinnern zu können, die Umstände insbesondere, wie sie zu Informationen gekommen sei, überzeugt jedoch nicht.

 

Der Zeuge Bah. schliesslich hat sich ebenfalls in dem Sinne geäussert, dass er aufgrund seines Informationsstandes aus der Lagerzeit eher davon ausgehe, dass Dr. Bresler nicht vor dem Aufstand zu Tode gekommen sei. Sein Hinweis, es sei wohl mal der Sohn Bresler schwer geschlagen worden - auch der Zeuge Men. hat so etwas angedeutet und auch beim Zeugen Tho. finden sich dahingehende Bekundungen -, verdeutlicht letztlich nur, wie unsicher die Erkenntnisse insgesamt sind, die die Zeugen über Vater und Sohn Bresler haben vermitteln können.

 

Aufgrund des Umstandes, dass es aus der dargestellten Gruppe der jüdischen Zeugen keinen wirklich entlastenden Aussageinhalt gegenüber der weitgehenden, starken Tatverdacht vermittelnden Aussage des Zeugen Chaim Eng. gibt, spricht nach wie vor viel für die Annahme, Frenzel habe im Fall 35 die ihm zur Last gelegte Tat begangen. Es bestehen jedoch, wie sich