Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.793

 

Inhalt er insbesondere erklärt hat, weswegen er zwar früher Wagner mit dem Sardinenfall, nicht aber Frenzel mit der Tötung Dr. Breslers erwähnt habe.

 

Zusätzliche Gesichtspunkte, die Zuverlässigkeit dieses Zeugen (oder seine Ehefrau) betreffend, haben sich hieraus nicht ergeben, auch wenn nicht zu übersehen ist, dass es für den Angeklagten schon von Bedeutung ist, dass eine weitere frühe Aussage des Zeugen Eng. ihn nicht mit dem Tod Dr. Breslers in Verbindung bringt. Letztlich belegt auch diese Urkunde nicht, dass es nicht weitere geben könnte, die inhaltlich auch mehr Einzelheiten und Einzelfälle darstellen könnten, als es in der Erklärung vom Juni/Juli 1946 der Fall ist; die Erklärung Chaim Eng.s, "er möchte noch einige weitere Beispiele für die Behandlungsmethoden im Lager geben", deutet diese theoretische Möglichkeit an.

 

Die Zeugin Saartje Eng. hat erstmals im jetzigen Verfahren bekundet, sie habe schon in der Lagerzeit von ihrem (späteren) Ehemann erfahren, dass es im Lager Zahnärzte gegeben habe und dass Frenzel eines Tages den Zahnarzt erschossen habe. Abgesehen davon, dass sie - soweit feststellbar - nicht einmal 1965/1966 in Hagen so etwas berichtet hat, ist auch zweifelhaft, dass sie sich nach so langer Zeit nun ausgerechnet originär daran erinnern kann, vor etwa 40 Jahren von ihrem Mann einen Bericht über den Tod eines Menschen gehört zu haben, welchen sie selbst nicht gekannt haben will; bedenkt man, wieviel in der Lagerzeit um die Zeugin herum geschehen ist, was sie mehr betroffen gemacht haben muss, weil sie die davon Betroffenen persönlicher gekannt haben dürfte, überzeugt es nicht, dass sie erst jetzt wieder auf den geschilderten Zusammenhang gekommen sein will.

 

Auch die Bekundung des Zeugen Zi. ist zu wenig substantiiert, als dass sie in diesem Punkt Beweiswert haben könnte.

 

Anders als die vorstehend genannten Zeugen, die nie behauptet haben, mit Dr. Bresler näher bekannt gewesen zu sein, wäre von den Zeugen Bla., Men. und Tho. zu erwarten gewesen, dass sie konkrete Aussagen über das Schicksal Dr. Breslers hätten machen können, die von entscheidender Bedeutung für die Beweiswürdigung sein könnten. Keiner der drei Zeugen hat jedoch so ausgesagt, dass seine Bekundung auch nur als Stütze des sich aus der Aussage Chaim Eng.s ergebenden starken Tatverdachts gegen Frenzel hätte herangezogen werden können.

 

Zwar hat der Zeuge Bla. in der jetzigen Hauptverhandlung - wie schon 1965 erstmals - davon gesprochen, Dr. Bresler sei getötet worden. Wie damals in der Hauptverhandlung hat er auch jetzt erklärt, selbst nicht Zeuge des Vorfalls gewesen zu sein. Seine weitergehende Erklärung, er habe vom Sohn Dr. Breslers vom Tod des Vaters gehört, ist insoweit wenigstens einfühlbar, weil diese beiden, etwa gleich alten Jungen nach der Bekundung des Zeugen eng miteinander befreundet waren. Die Bekundung über die Freundschaft zwischen den Jungen hält die Kammer auch deswegen für glaubhaft, weil der Zeuge in seinen zum Teil ausserordentlich umfangreichen Erlebnisberichten immer wieder über die häufigen freundschaftlichen Kontakte mit Josef Bresler geschrieben hat.

 

Die Kammer hält es aber für umso auffallender und, auch sonstige in der Würdigung der allgemeinen Aussageinhalte des Zeugen bereits dargestellte Schwächen berücksichtigend, für um so mehr skepsisbegründender, dass der Zeuge gerade in jenen Berichten zwar ausführlich die gemeinsamen Gespräche und Zusammentreffen mit Bresler vor der Lagerzeit und den ersten gemeinsamen Tagen im Lager beschreibt, aber nicht die geringste Andeutung darüber macht, Dr. Bresler könne noch vor dem Aufstand getötet worden sein. Die hierzu vom Zeugen abgegebene Erklärung, dieses Detail sei für seine Berichte nicht wichtig gewesen, überzeugt nicht. In seinen Berichten, die in vielen Passagen romanhaft breit angelegt sind, bringt der Zeuge Bla. immer wieder Hinweise, wenn innerhalb der Lagerzeit Menschen, die er namentlich bezeichnet, im Rahmen besonderer Ereignisse oder durch weniger spezifische Gewalttaten