Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.79

 

der Tschechoslowakei und im Polenfeldzug bewährten Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD vor, die allerdings in den genannten Einsatzräumen mit vorwiegend sicherheitspolizeilichen Aufgaben betraut gewesen waren.

 

III. Die Einsatzgruppen, insbesondere die Einsatzgruppe A

 

Die Einsatzgruppen waren wenige Wochen vor Beginn des Russlandfeldzuges (21.6.1941) aufgestellt worden. Ihre Aufstellung geht auf ein Abkommen vom 26.3.1941 zurück, das zwischen dem OKW, vertreten durch Generalquartiermeister Wagner, einerseits und dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, vertreten durch den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, andererseits über ihren Einsatz im Operationsgebiet der Wehrmacht getroffen worden war. Neben Aufgaben wie Sicherung des rückwärtigen Armeegebietes, Abwehrtätigkeit, Nachrichtendienst usw. hatten sie als zusätzliche Aufgabe die Durchführung der Geheimen Reichssache über die "Sonderbehandlung der potentiellen Gegner", womit die Vernichtung sämtlicher Juden und der kommunistischen Funktionäre gemeint war, übertragen bekommen. Diese zusätzliche Aufgabe wurde aber nicht allgemein, sondern nur den Einsatzgruppenleitern bekanntgegeben. Ihnen blieb es überlassen, wann sie ihre Untergebenen davon in Kenntnis setzten.

 

In einem von Generalfeldmarschall von Brauchitsch unterzeichneten Befehl des Generalkommandos des Heeres vom 28.4.1941, betr. Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verband des Heeres, war sodann auch das Heer auf das Bestehen von Einsatzgruppen und auf deren Aufgaben im rückwärtigen Armeegebiet wie im rückwärtigen Heeresgebiet hingewiesen worden; in diesem Befehl ist besonders hervorgehoben, dass die Einsatzgruppen berechtigt seien, im Rahmen ihres Auftrages in eigener Verantwortung Exekutivmassnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung zu treffen.

Die Einsatzgruppen unterstanden in sachlicher Hinsicht unmittelbar dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) und somit dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich. Hinsichtlich ihres Marschweges, der Verpflegung usw. unterstanden sie den Heeresgruppen, denen sie jeweils zugeteilt waren. Ihnen galt aber auch der sog. "Barbarossabefehl" vom 13.5.1941, der als Geheime Kommandosache ergangene und von Keitel als Chef des OKW auftragsgemäss unterzeichnete Führererlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet "Barbarossa" und über besondere Massnahmen der Truppe. Dieser Befehl regelte einmal die Behandlung von Straftaten feindlicher Zivilpersonen und zum anderen die Behandlung von Straftaten von Angehörigen der Wehrmacht und des Gefolges gegen Landeseinwohner. Die strafbaren Handlungen feindlicher Zivilpersonen wurden der Zuständigkeit der Kriegsgerichte und der Standgerichte entzogen.

Hinsichtlich von Straftaten der Angehörigen der Wehrmacht und ihres Gefolges gegen Landeseinwohner wurde der Verfolgungszwang aufgehoben, und zwar auch dann, wenn die Tat zugleich auch ein militärisches Verbrechen oder Vergehen darstellte.

 

Die Einsatzgruppen wurden sodann im Mai/Juni 1941 in der Polizeischule in Pretzsch/Elbe und in den benachbarten Ortschaften Düben und Bad Schmiedeberg aufgestellt. Es waren 4 Einsatzgruppen, die jeweils für das Gebiet einer Heeresgruppe vorgesehen waren. Für vorliegenden Verfahrensabschnitt ist jedoch nur die von dem im März 1942 gefallenen Brigadeführer Dr. Stahlecker befehligte Einsatzgruppe A bedeutsam.

Sie hatte ihre Aufgaben im Raum der Heeresgruppe Nord - vor allem in Litauen, Lettland und Estland und Weissruthenien - zu erfüllen. Sie setzte sich zusammen aus den Einsatzkommandos 1a, 1b, 2 und 3 und zeitweilig auch noch dem Kommando Stapo und SD Tilsit. Von diesen Einsatzkommandos steht nur das EK 1b im Mittelpunkt des hier angeklagten Tatgeschehens.