Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.787

 

marschunfähigen Revierkranken aufzustellen. Das habe er in dem Glauben getan, dass diese Kranken mit einem LKW nach Mauthausen transportiert werden würden. Er habe 82 Häftlinge angegeben. Am frühen Abend des 31.3.1945 sei er jedoch in Kenntnis davon gesetzt worden, dass die Häftlinge durch Benzininjektionen getötet werden sollten (hier findet sich in den mehreren Aussagen des Zeugen ein - unerheblicher - Widerspruch: In seiner Erklärung vom 10.5.1945 meint der Zeuge, Dr. Kra. habe ihm diese Mitteilung gemacht; in seinen Aussagen vom 11.3.1948 und vom 6.1.1950 will er sie von dem Revierkapo Georg erhalten haben). Die Häftlingsärzte seien übereingekommen, sich an den Tötungen nicht zu beteiligen. Daraufhin habe der Revierkapo erklärt, dass er selbst den Befehl von Bühner erhalten habe und damit gedroht, dass er Bühner von dem Verhalten der Ärzte berichten werde. Als die Ärzte aber standhaft geblieben seien, habe der SDG Hof. schliesslich den Zeugen Gös. mit der Tatausführung beauftragt. Nachdem die Ärzte zuvor noch etwa 30 Häftlinge aus dem Revier entlassen hätten, sei Bühner gegen 20.30 Uhr des 31.3. ins Revier gekommen und habe erklärt, dass die Evakuierung am nächsten Morgen beginne und dass bis dahin alle Revierkranken getötet sein müssten. Die Tötungen seien dann so erfolgt, dass der Revierkapo Gös. die Häftlinge in einen Vorraum getragen hätte und ihnen dort durch den Sanitätshäftling Sas. Benzinspritzen in die Herzgegend gesetzt worden seien. Da Sas. kaum medizinische Kenntnisse gehabt habe, sei das Benzin vielfach in die Lunge gedrungen und die Opfer hätten einen langen und qualvollen Erstickungstod gefunden; einige seien von Gös. mit den Händen erwürgt worden. Er - der Zeuge - habe die Nummern der Leichen aufgenommen und geholfen, sie in ein gemeinsames Grab zu tragen. Einem französischen Häftlingskameraden habe er vor der Abspritzung eine Narkose gegeben. - Bühner sei in der Nacht einmal ins Revier gekommen und habe sich vom Verlauf der Tötungsaktion überzeugt.

In dem französischen Strafverfahren gegen den Angeklagten Streitwieser hat der Zeuge noch erklärt, dass Streitwieser die Verantwortung für die unter Bühners Leitung durchgeführten Tötungen gehabt habe.

 

Das Gericht hat keine Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen, dessen Aussagen in sich geschlossen und bis auf die oben genannte Ausnahme in sich widerspruchsfrei sind. Ob nun der Zeuge durch den Revierkapo oder durch Dr. Kra. Kenntnis von der beabsichtigten Tötung erhalten hat oder ob ihm vielleicht beide unabhängig voneinander davon berichtet haben, ist für die rechtliche Würdigung ohne Bedeutung. Wenn der Zeuge in verschiedenen Aussagen hierzu widersprüchliche Angaben zu diesem nebensächlichen Punkt gemacht hat, so beeinträchtigt das offensichtlich seine Glaubwürdigkeit nicht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Zeuge in allen Aussagen seine Wahrnehmungen nach bestem Wissen geschildert hat.

 

Der Zeuge Ri., der bis wenige Wochen vor Beginn des Rückmarsches Häftling in Hinterbrühl war, zur Tatzeit sich jedoch bereits in Mauthausen befand, hat bekundet, dass ihm nach Eintreffen des Lagers Hinterbrühl in Mauthausen durch seine ihm bekannten Häftlingskameraden Sas., Dr. Jou., Dr. Achmidow, Dr. Jegoroff und vor allem durch Dr. Kra. zu verschiedenen Zeitpunkten und unabhängig voneinander von der Tötung der Revierkranken berichtet worden sei. Hiernach sei einige Tage vor Beginn des Rückmarsches die Anordnung eingetroffen, dass die Revierkranken, die nicht mit nach Mauthausen könnten, getötet werden müssten. Insbesondere Dr. Kra. habe ihm gesagt, Streitwieser und Bühner seien ins Revier gekommen und hätten die Anordnung gegeben, dass die Marschunfähigen mit Benzininjektionen zu töten seien. Als die Ärzte sich geweigert hätten, bei den Tötungen mitzuwirken, seien schliesslich die Sanitäter Sas. und Gös. unter Drohungen gezwungen worden, die Abspritzungen vorzunehmen. Es bestehe kein Zweifel, dass ihm - dem Zeugen - übereinstimmend durch die Tatzeugen berichtet worden sei, dass gerade Streitwieser auf die Durchführung der Tötungen gedrängt hätte.