Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.785

 

dem Revolver in der Hand lachend erschienen und habe den Kapo Georg und Sas. ausgeschimpft, weil sie bei dieser Arbeit die SS-Uniform trugen, aber er habe ihnen auch Zigaretten und Schnaps versprochen. Die Toten seien durch in SS-Uniform gesteckte Häftlinge in zwei Massengräbern verborgen worden. Ausser den 51 Leichen der abgespritzten Häftlinge seien noch zwei in der Totenkammer vorhanden gewesene Leichen in das Massengrab gelegt worden, sowie noch die Leiche eines Häftlings, des Elektriker-Kapos, den Bühner erschossen habe. Weil von den in den zwei Sälen zum Tode bestimmten 80 Häftlingen sich noch 29 bewegen konnten, habe er - der Zeuge - diese in der Nacht schnell aus dem Revier ins Lager geschickt, damit sie von der Abspritzung verschont blieben. Es habe jedoch keiner von diesen infolge der schweren Marschbedingungen den Rückmarsch überstanden.

 

Obwohl dem Gericht der persönliche Eindruck von dem Zeugen fehlt, hat es keine Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit. Die Persönlichkeit des Zeugen ist nach den Aussagen anderer Zeugen untadelig; er hatte keinerlei Veranlassung, eine falsche Aussage zu machen, insbesondere nicht, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Die Erklärung ist in sich geschlossen und widerspruchsfrei; sie wird letztlich in ihrem wesentlichen Inhalt durch andere Zeugenaussagen bestätigt.

 

Der verstorbene Zeuge Sas. hat in einem gegen ihn in Österreich anhängigen Strafverfahren am 20.12.1946 als Beschuldigter ausgesagt (Bd.47 S.9422 ff. d.A., verlesen gem. §251 StPO), dass er sich nach Vorhalt der gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen schuldig bekenne, die Revierkranken in Hinterbrühl durch Benzinspritzen ins Herz getötet zu haben. Er sei zunächst durch Hof. und Dr. Kra. gedrängt worden, die Spritzen zu setzen, wobei darauf hingewiesen worden sei, dass es sich um einen ausdrücklichen Befehl des Lagerführers Streitwieser handle. Er habe sich aber geweigert. Daraufhin sei er von Bühner mit vorgehaltener Pistole zur Durchführung der Tötungen gezwungen worden. Er habe nur die Spritzen setzen müssen. Gös. habe die Häftlinge hereingetragen, ihnen die Augen zugebunden und dann, nachdem er - der Zeuge - die Spritze injiziert habe, den Mund zugehalten, um die Abgespritzten am Schreien zu hindern. Hof. sei während der ganzen Zeit mit geladener Pistole herumgelaufen und habe so ständig stillschweigend einen Druck auf ihn - den Zeugen - ausgeübt.

 

Das Gericht hat dieser Beschuldigtenaussage des Zeugen Sas. keinerlei Beweiswert beizumessen vermocht, soweit sie sich mit dem Geschehen vor der eigentlichen Tötungsaktion beschäftigt. Dem Zeugen konnte es bei seiner damaligen Aussage, nachdem er unter dem Druck der Beweismittel zugeben musste, dass er die Tötungen eigenhändig ausgeführt hatte, nur darauf ankommen, dass er zur Tatausführung durch Drohungen für Leib und Leben gezwungen worden sei. Zu seiner eigenen Entlastung musste es ihm weiter wichtig erscheinen, dass an der Vorbereitung möglichst viele, ansonst als honorig bekannte Personen mitgewirkt hätten. In diesem, seinem Entlastungsbemühen hat der Zeuge, der im übrigen nach seiner eigenen Darstellung zur Person mehrfach wegen "Ehrenbeleidigung" vorbestraft war (Bd.49, S.9860, verlesen gem. §251 StPO), zumindest insoweit unwahre Angaben gemacht, als er den Zeugen Hof. belastete, ihn zur Tatausführung durch Drohung mit einer Pistole mitbewegt zu haben. Diese Darstellung passt nicht zur Charakteristik des Zeugen Hof. und wird durch die Aussage der übrigen Zeugen widerlegt. Unter diesen Umständen aber kann der gesamten Aussage des Zeugen zur Vorgeschichte der Tötungen kein Beweiswert beigemessen werden, obwohl es natürlich möglich ist, dass er von Bühner mit der Pistole zur Tat genötigt und ihm gesagt worden ist, es handle sich um einen Befehl des Lagerführers Streitwieser. Sichere Erkenntnisse lassen sich jedoch aus der Aussage auch insoweit nicht gewinnen. Sie war bei der Beweiswürdigung ausser Betracht zu lassen.

 

Der ehemalige im Krankenrevier von Hinterbrühl eingesetzt gewesene Häftlingssanitäter Gös., der in dem amerikanischen Strafverfahren gegen Altfuldisch u.A. mitangeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, hat im Verlauf des vorgenannten Strafverfahrens