Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.782

 

Geheimbefehl zur Liquidierung der Häftlinge an den Angeklagten als Lagerführer ausgehändigt habe. - Wäre aber Schmutzler durch den Lagerkommandanten Ziereis zum Lagerführer von Hinterbrühl bestimmt worden, so wäre damit der Liquidationsbefehl für Hinterbrühl an ihn selbst gerichtet gewesen. Es wäre geradezu sinnwidrig gewesen, hätte er den Befehl unter diesen Umständen an einen Lagerführer von Hinterbrühl übergeben lassen. Wäre der Liquidationsbefehl betreffend die Revierkranken von Hinterbrühl an Schmutzlers eigene Adresse gegangen, so hätte er sich vielmehr in Anbetracht der Ungeheuerlichkeit und der schwerwiegenden Folgen dieses Befehls mit Sicherheit persönlich entweder für die Durchführung oder eventuell die Umgehung dieses Befehls eingesetzt. Von einer solchen Einflussnahme Schmutzlers bei der Tötung der Häftlinge hat jedoch niemand der Betroffenen, nicht einmal der Angeklagte etwas zu sagen gewusst.

 

Der Zeuge Dip. hat bekundet, dass er vom Lagerführer Streitwieser am Tag vor dem Rückmarsch den Befehl erhalten hat, mit zwei anderen Häftlingen mehrere Ballen Tabak zu bewachen; dies beweist, dass Streitwieser die Befehlsgewalt im Lager nach wie vor ausübte.

An der Glaubwürdigkeit des Zeugen Dip. hatte das Gericht keine Zweifel. Der Zeuge machte einen guten Eindruck bei seiner Aussage, bewies insgesamt ein ausgezeichnetes Gedächtnis und war insbesondere mit Belastungen des Angeklagten Streitwieser sehr zurückhaltend.

 

Der Zeuge Pol., Mitglied der SS-Wachmannschaft in Hinterbrühl, hat bekundet, dass er bei Beginn des Rückmarsches am 1.4.1945 von Streitwieser die Anordnung erhalten habe, zunächst auf der Lagerschreibstube zurückzubleiben. Am Vormittag sei er dann von Streitwieser beauftragt worden, drei oder vier LKWs mit Lebensmitteln zu beladen und an einen dem Zeugen nicht mehr erinnerlichen Ort zu fahren. Auch diese Aussage beweist, dass Streitwieser in entscheidenden Dingen nach wie vor Befehlsgewalt ausübte.

Der Zeuge Pol. ist glaubwürdig. Er ist ein unbescholtener Mann aus geordneten Verhältnissen und hat auf das Gericht einen guten Eindruck gemacht. Sicherlich war er kein überzeugter SS-Mann, vielmehr einer derjenigen Luftwaffenangehörigen, die gegen Ende des Krieges zur Wachmannschaft für Konzentrationslager gezogen wurden und der aus seiner Abscheu gegen die dort bestehenden Verhältnisse keinen Hehl machte. Es bestehen keine Bedenken, seiner Aussage zu folgen.

 

Wie weiter unten (D II 5) eingehend festgestellt werden wird, hat der Angeklagte dann während der ersten Tage des Rückmarsches Funktionen ausgeübt, die eindeutig auf seine fortdauernde Stellung als Lagerführer schliessen lassen: Er hat die Rastplätze ausgesucht, an denen die Häftlinge während des Rückmarsches übernachteten.

 

Dass der Angeklagte nicht nur der Lagerführer war, an den der Liquidationsbefehl gerichtet war, sondern darüberhinaus auch persönlich für seine strikte Durchführung Sorge getragen hat, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Bekundungen der Zeugen Emm., Hof., Dr. Kra., Sas., Gös., Dr. Jou., Ri., So. und Laf. Diese waren bis auf Ri., So. und Laf. Augenzeugen des festgestellten unmittelbaren Tatgeschehens; die Zeugen Ri., So. und Laf. sind wichtige Zeugen vom Hörensagen, weil sie bald nach der Tat durch Augenzeugen über den Tathergang und die Mitwirkung des Angeklagten unterrichtet worden sind.

 

Der Zeuge Emm., der zur Tatzeit als Truppenrevierreiniger im Revier von Hinterbrühl tätig war, hat bekundet, am Abend vor dem Rückmarsch seien der Angeklagte und Rapportführer Bühner in die Revierbaracke gekommen. Sie hätten den anwesenden Häftlingsärzten - den Zeugen Dr. Kra. und Dr. Jou. sowie einem weiteren französischen und zwei russischen Ärzten - und dem Revierpersonal - u.a. dem Zeugen selbst - erklärt, dass die nicht gehfähigen Häftlinge durch Benzinspritzen getötet werden müssten. Als die anwesenden Ärzte sich geschlossen geweigert hätten, an den Tötungen mitzuwirken, habe Streitwieser sinngemäss gesagt, dass es ihm egal sei, wer es mache, aber gemacht werden müsse es auf jeden Fall. Bühner habe bei der Unterredung einen Benzinkanister in der Hand gehabt. - Da die