Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.294c BGH 23.02.1951 JuNSV Bd.VIII S.780

 

Lfd.Nr.294c    BGH    23.02.1951    JuNSV Bd.VIII S.780

 

3 StR 5/50

 

Im Namen des Volkes

 

 

In der Strafsache gegen

 

den Arbeiter F., geboren am 23.Dezember 1897 zu Kupferdreh bei Essen, wohnhaft zu Langenberg,

 

wegen Totschlags und Verletzung der Obhutspflicht

 

hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in der Sitzung vom 23.Februar 1951 für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Schwurgerichts in Köln vom 22.Mai 1950 226, soweit der Angeklagte wegen Totschlags verurteilt ist sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe nebst den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Schwurgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen.

Soweit die Revision verworfen wird, werden die Kosten des Rechtsmittels der Staatskasse auferlegt; im übrigen hat das Schwurgericht über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden.

 

 

GRÜNDE

 

Der Angeklagte ist wegen Totschlags und wegen Verletzung der Obhutspflicht gegenüber Kriegsgefangenen unter Ehrverlust zu einer Gesamtgefängnisstrafe verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts.

 

1. Der als Lagerführer eingesetzte Angeklagte hat im Januar 1942, als die ihm unterstellten russischen Kriegsgefangenen morgens zur Arbeit im Lager angetreten waren, einen Russen, der vor der Front auf dem Boden lag und mit gefalteten Händen um Gnade bat, niedergeschossen. Die Einlassung des Angeklagten, er habe den Russen deshalb erschossen, weil dieser sich widersetzt habe, hält das Schwurgericht für widerlegt. Es hat den Angeklagten deshalb der vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung eines Menschen für schuldig erachtet.

 

Im Anschluss an diese Feststellung wird in den Urteilsgründen bemerkt, auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung habe nicht festgestellt werden können, dass der Angeklagte aus den im §211 StGB angeführten Motiven oder heimtückisch, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, gehandelt habe. Gegen diese summarische Verneinung aller qualifizierenden Tatbestandsmerkmale des Mordes wendet sich die Revision mit Erfolg. Denn auf Grund der getroffenen Feststellungen ist die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass der Angeklagte grausam oder aus einem niederen Beweggrund getötet hat. In beiden Richtungen wird es weiterer tatsächlicher Aufklärung und Würdigung bedürfen, ehe das Vorliegen oder die Nichterweislichkeit dieser Merkmale abschliessend beurteilt werden kann.

Die Tötung des kriegsgefangenen Russen kann nicht für sich allein betrachtet, sondern nur als Teil des Gesamtvorgangs, in dessen Rahmen sie sich ereignet hat, zutreffend

 

226 Siehe Lfd.Nr.294b.