Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.777

 

Dienstgeschäfte bis zum Eintreffen von SS-Hauptsturmführer Schmutzler führen sollte. - Dann habe er seine Koffer gepackt und am nächsten Morgen, dem 31.3.1945 einen Fahrer der Transportfirma Fuchs gebeten, ihn und seine Familie mit einem LKW nach Goisern zu transportieren. Seine privaten Möbel habe er einem SS-Unterführer - dem Zeugen Gei. - geschenkt, der gleichfalls einen LKW zum Transport zur Verfügung gehabt hätte. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm dann plötzlich die Idee gekommen, dass er sein Lager nicht im Stich lassen dürfe, und er habe beschlossen, seine Familie allein nach Goisern fahren zu lassen. Er habe dem Fahrer noch befohlen, sofort wieder nach Hinterbrühl zurückzufahren, um einen Krankentransport zu übernehmen. Damals habe er zwar von dem Liquidierungsbefehl betreffend die marschunfähigen Häftlinge noch nichts gewusst; er habe sich aber bereits darüber Gedanken gemacht, dass man ja die Marschunfähigen auf irgendeine Weise transportieren müsse. Deshalb habe er sich weiter auch mit der Direktion der Heinkelwerke, u.a. mit dem Zeugen Dr. Sq., in Verbindung gesetzt und um Zurverfügungstellung einiger LKWs gebeten. Dr. Sq. habe ihm erklärt, dass zwar die vorhandenen Lastzüge zum Transport von Maschinen nach Tirol gebraucht würden; er wolle aber sehen, was sich machen liesse.

Im Lager sei inzwischen der Evakuierungsbefehl mit einem Marschplan von Hauptsturmführer Schmutzler eingetroffen, auf dem die einzelnen Rastplätze bereits festgelegt worden seien. Dies sei ihm - dem Angeklagten - durch den Zeugen Zul. mitgeteilt worden, der damals als SS-Schreiber auf der SS-Schreibstube tätig gewesen sei.

 

Im Verlauf des 31.3.1945 sei dann der Zeuge La. mit einem Motorrad in Hinterbrühl eingetroffen und habe formell an die Lagerleitung, materiell aber einen an den SS-Lagerarzt gerichteten Befehl überbracht, nach dessen Inhalt alle kranken, nicht marschfähigen Häftlinge, die auf dem Evakuierungsmarsch nach Mauthausen nicht mitkommen könnten, getötet werden sollten. Kein Häftling dürfe in Feindeshand fallen. - Er habe den Empfang dieses Befehls quittiert, "da er nun einmal da gewesen sei". Nachdem er ihn geöffnet und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe, habe er ihn auf den Schreibtisch geworfen und erklärt: "Diese Schweinerei soll nun auch noch gemacht werden". Weiter habe er nichts unternommen, insbesondere sich nun nicht etwa erneut dringlich um Transportmittel für die marschunfähigen Revierkranken bemüht, weil er ja mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun gehabt habe, nachdem er von der Lagerführung durch Ziereis entbunden worden sei.

 

Den weiteren Tag habe er bei den Eltern eines Kriegskameraden verbracht. Am Abend sei er mit der Zeugin Egg. essen gegangen. In der Nacht zum 1.4.1945 sei er sodann mit einem ihm durch die Heinkelwerke zur Verfügung gestellten PKW nach Mödling zurückgefahren und habe im Zivilrevier des Lagers noch eine Stunde auf einer Pritsche geschlafen. Am Morgen habe er sich ins Lager begeben. Zu diesem Zeitpunkt seien die Häftlinge bereits zum Abmarsch angetreten gewesen. Von der Durchführung des Tötungsbefehls habe er nichts gehört und sich auch nicht danach erkundigt.

 

Die Einlassung des Angeklagten ist im Sinne der oben getroffenen Feststellungen widerlegt.

 

Fest steht zunächst, dass am Abend des 31.3.1945 50 Häftlinge im Revier von Hinterbrühl durch Benzininjektionen in die Herzgegend getötet worden sind. Die Zahl der Getöteten und deren teilweise Identifizierung ergibt sich aus Urkunden und Zeugenaussagen.

 

Ende 1945 wurden auf dem Gebiet des Lagers Hinterbrühl zwei Massengräber entdeckt, welche am 11.1.1946 richterlich in Augenschein genommen wurden (Protokoll über Augenschein und Vernehmung von Sachverständigen des Landgerichts in Wien vom 11.1.1946, Bd.49, S.9830 ff.). Es wurde angeordnet, dass unter Beibringung einer entsprechenden Anzahl von Särgen die Leichen einzeln gehoben und in das Institut für gerichtliche Medizin in Wien zur Begutachtung überführt würden. Dieses Institut erstattete am 20.5.1946 ein Gutachten (Bd.47, S.9451) über Anzahl, Zustand und Todesursache der