Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.294b LG Köln 22.05.1950 JuNSV Bd.VIII S.777
es ihm gelang, zusätzlich Pferdefleisch für die Gefangenen zu erhalten. Selbst wenn anscheinend von diesem Zeitpunkt der Übernahme des Kommandos durch L. an auch höheren Orts mehr für die Gefangenen getan wurde, so entbindet dies den Angeklagten nicht von seiner Verantwortlichkeit für die von ihm ohne Grund begangenen Quälereien.
Das Schwurgericht stellt daher fest, dass der Angeklagte durch sein Verhalten den Tatbestand des §223b StGB erfüllt hat.
Die Russen waren infolge ihres völlig heruntergekommenen Gesundheits- und Ernährungszustandes wegen Gebrechlichkeit wehrlos, abgesehen davon, dass sie Kriegsgefangene waren. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass sie der Fürsorge und Obhut des Angeklagten als Lagerführer unterstanden bezw. von dem Fürsorgepflichtigen, der Deutschen Wehrmacht, seiner Gewalt überlassen worden waren. Die Beweisaufnahme hat ferner ergeben, dass der Angeklagte diesen Gefangenen länger fortdauernde und sich wiederholende Schmerzen zugefügt und sie aus einer gefühllosen Gesinnung heraus unter Erregung erheblicher Schmerzen misshandelt, dass er sie also gequält und roh misshandelt hat. Dass die Schmerzen, die er ihnen zugefügt hat, erheblich waren, ergibt sich aus der Beweisaufnahme. Es handelte sich nicht, wie der Angeklagte glauben machen will, um harmlose Stösse zur Aufmunterung oder Anfeuerung, sondern um schmerzhafte Hiebe und Schläge, die auch blutige Verletzungen zur Folge hatten. Wie der Zeuge R. bekundet, zitterten die Russen schon vor Angst, wenn der Angeklagte sich nur zeigte. Auf diese Weise hat der Angeklagte den Gefangenen auch fortlaufend seelisches Leid zugefügt, indem er sie in einen Zustand dauernder Angst versetzte. Auch dies genügt schon zur Erfüllung des Tatbestandes des §223b StGB. Darüber hinaus hat der Angeklagte auch geduldet, dass seine Wachmannschaft die Russen in roher Weise misshandelte, obwohl es seine Pflicht gewesen wäre, einzuschreiten.
Dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls fest.
Im Gegensatz zur Anklage ist das Gericht der Auffassung, dass nicht mehrere selbständige Fälle der Verletzung des §223b StGB und darüber hinaus mehrere selbständige Fälle der gefährlichen Körperverletzung gem. §223a StGB vorliegen. Die gesamte Tätigkeit des Angeklagten als Lagerführer war eine einzige Quälerei und rohe Misshandlung der Russen, die sich gar nicht in Einzelakte zerlegen lässt. Es handelt sich vielmehr um ein einheitliches Gesamtverhalten, um eine Handlungseinheit, einen einheitlichen Komplex. Das Schwurgericht hat daher die Punkte b und c der Anklage als eine einheitliche Handlung gewertet und den Angeklagten unter Freisprechung von der Anklage mehrerer selbständiger Handlungen eines einheitlichen Vergehens gegen §223b StGB für schuldig erkannt.
Durch eine weitere selbständige Handlung hat sich der Angeklagte des Totschlages gem. §212 StGB schuldig gemacht, indem er im Januar 1942 einen kriegsgefangenen Russen ohne weiteres erschoss.
Mit seiner Einlassung, es habe ein Befehl bestanden, wonach bei Widersetzlichkeit von der Waffe Gebrauch zu machen sei; der Gefangene sei widersetzlich gewesen, er habe sich daher für berechtigt gehalten, ihn zu erschiessen, kann der Angeklagte nicht gehört werden.
Selbst wenn unterstellt wird, dass ein derartiger rechtsgültiger Befehl bestanden habe, so würde das Verhalten das Angeklagten dadurch nicht gerechtfertigt. Die Beweisaufnahme hat klar und eindeutig ergeben, dass eine Widersetzlichkeit des betreffenden Russen gar nicht vorgelegen hat. Abgesehen davon, dass sämtliche Russen so schwach und hinfällig waren, dass sie weder die körperliche noch geistige Kraft zum Widerstand hätten aufbringen können, hat der Zeuge R. mit seinem Eide bekräftigt, dass er den Vorfall aus nächster Nähe beobachtet habe. Nach der glaubwürdigen Darstellung dieses Zeugen lag der Russe völlig hilflos vor dem Angeklagten auf dem Boden und bat mit gerungenen Händen um Gnade. Bei dieser Sachlage kann von Widersetzlichkeit keine Rede sein, selbst dann nicht, wenn dieser Russe sich, was durch die Beweisaufnahme