Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.776

 

Samuel Ler. initiierten Bauer-Verfahren 462 als auch im etwa zeitgleich anlaufenden G.-Verfahren 463. Nachdem sie zunächst in einigen Vernehmungen den Angeklagten Frenzel eher am Rande erwähnt hat, kommt sie in einer dem Schwurgericht 1966 ebenfalls unbekannt gewesenen Vernehmung vom 17.September 1949 zunächst auf den Majdanek-Transport zu sprechen, diesen so schildernd, als habe sie die Vorkommnisse aus Anlass dieses Transportes selbst gesehen, und erklärt sodann:

"Eines Tages, als ich auf der Rampe, auf der Grasfläche, beschäftigt war, kam ein Transport mit Greisen, Frauen und Kindern an. Bei der Ausladung des Transportes blieb ein Kind im Waggon zurück; Frenzel griff es an den Beinchen und schlug es mit dem Kopf gegen die Wand des Waggons so, dass das Köpfchen vollkommen zertrümmerte.";

davon, dass Frenzel zu ihr gesprochen habe, berichtet sie nichts.

 

Nachdem sie in weiteren Vernehmungen nicht über diesen Vorfall gesprochen hat, wird erst in der Vernehmung vom 21.August 1950 (Hauptverhandlungstermin in der Sache G.) eine vergleichbare Schilderung gebracht, in der es heisst:

"Ich war erst in der Strickstube, dann kam ich zur Baracke, in welcher das Gepäck sortiert wurde. Ich habe selbst die Tätigkeit G.s an der Rampe beobachten können. Einmal kam ein Transport aus Wilnow mit Frauen, Kindern und alten Leuten. Ich habe damals in einem Haus etwa 2 m von der Bahnrampe entfernt gearbeitet. In den Güterwagen blieben viele Kinder zurück. G. nahm sie bei den Füssen und warf sie in die Loren, dass die Köpfe platzten und dergleichen."

Der Angeklagte Frenzel wird in jener Vernehmung nicht erwähnt, auch nicht im Zusammenhang mit der Schilderung des Todes des Shol Stark, der ihrer Bekundung zufolge von G. so geschlagen worden sei, "dass er irre wurde und durch das offene Lagertor davonlief. G. lief hinter ihm her und schoss auf ihn. Stark wurde zurückgeschleift und uns als warnendes Beispiel gezeigt". G. habe zu ihnen, die alle zusammengerufen worden seien, gesagt, dass es jedem wie Stark erginge, der flüchten wolle; jener sei an Ort und Stelle verstorben (in späteren Vernehmungen hat sie dann den Angeklagten Frenzel in diesem Fall mit aufgeführt und bekundet, er habe Stark erschossen).

 

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des Hagener Sobibor-Verfahrens ist die Zeugin sodann 1963 kommissarisch in New York durch den Staatsanwalt vernommen worden; sie hat erklärt:

"Eines Tages habe ich die Unterkunftsbaracke der SS (Nr.11 Vorlager des Lagerplans) gereinigt. Zu dieser Zeit traf ein Judentransport auf dem Abschlussgleis ein. Ich sah aus dem Fenster der Baracke in Richtung zur Verladerampe und beobachtete aus einer Entfernung von höchstens 10 m, dass Frenzel ein Baby im Alter von etwa 1 Jahr, das in einem Wagen zurückgeblieben war, an den Füssen ergriff, mit dem Kopf gegen die Wagenwand schlug und auf den Boden warf. Nach der Wucht des Schlages und des Wurfes gibt es keinen Zweifel, dass das Kind durch Frenzel getötet worden ist."

In jener Vernehmung schildert sie ein Erlebnis (offenbar den "Lemberg"-Transport), nachdem sie zu Wol. 464 befragt worden ist, einen der seinerzeitigen Beschuldigten:

"Eines Tages erzählte mir Wol. folgendes: Mit einem Transport sei eine Frau eingetroffen, deren Leib geplatzt sei. Neben ihr habe ein Kind gesessen, das

 

462 Siehe Lfd.Nr.212.

463 Siehe Lfd.Nr.233.

464 Siehe Lfd.Nr.642.