Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.775

 

sei es nur Draht gewesen, nichts Festes, genau wisse sie das nicht mehr. Sie habe die Schienen sehen können, das Haus habe ein klein wenig tiefer als die Gleise gestanden, es sei daher kein Problem gewesen, die Gleise zu sehen. Ausgeladen worden sei zum Haus hin, zwischen den Gleisen und dem Haus sei noch die Rampe gewesen. Sie glaube nicht, dass dort auch eine Strasse dazwischen gewesen sei, die LKW hätten aber dort freien Weg gehabt. Die Entfernung könne sie nicht mehr sagen, sie habe aber genaue Beobachtungsmöglichkeiten gehabt.

 

Eine solche Handlung wie die Frenzels habe sie nur dieses eine Mal gesehen, das verfolge sie seit damals bis heute. Sie sei nie auf dem Bahnhofsplatz gewesen, um etwas zu sehen, wenn Transporte gekommen seien. Es sei nur ein Zufall gewesen, dass sie in dem Haus an der Rampe beim Putzen gewesen sei, sie das Pfeifen gehört habe und daraufhin der Transport hereingekommen sei. Sie habe mal vom Fenster aus sehen wollen, obwohl das sehr gefährlich gewesen sei und eigentlich wünsche sie sich jetzt, dass sie nie so etwas gesehen habe. Die Leute seien schon aus den Waggons gewesen und sie habe gesehen, wie sie abgeführt worden seien in Richtung Lager III und wahrscheinlich habe eine Mutter ihr Baby zurückgelassen gehabt. Das habe furchtbar geweint und da habe er - Frenzel - es totgeschlagen, mit den Beinen habe das Baby in Richtung Tür gelegen, zur Öffnung des Waggons hin. Über das Alter des Baby könne sie nichts sagen, nur, als er es aufgenommen habe, habe sie gesehen, dass es nicht sehr gross gewesen sei.

 

Die Aussage der Zeugin Raa. begründet zwar einen starken Tatverdacht gegen den Angeklagten, der zur Zeit, als der Transport gewesen sein müsste, nämlich 1943, Leiter des Bahnhofskommandos war, es seiner Funktion entsprochen hätte, die Waggons zu kontrollieren. Sie reicht jedoch letztlich nicht aus, um ihn dieser ihm zur Last gelegten Tat zu überführen; insbesondere hat die Zeugin nicht überzeugend erklären können, wie es gerade in sehr frühen von ihr stammenden Darstellungen zu Beschreibungen des Kerngeschehens, einschliesslich wichtiger hierzu unlösbar gehörender Einzelheiten, kommen konnte, die in deutlichem Widerspruch zu jenen Berichten und Aussagen stehen, die sie später abgegeben hat und welche den Feststellungen des Schwurgerichtes 1966 zugrunde gelegt worden sind.

 

Die früheste, dem Schwurgericht nicht bekannt gewesene, im April 1945 niedergelegte Schilderung der Zeugin Raa., die sie im Rahmen eines längeren, auf den Zeugen Samuel Ler. zurückgehenden Berichtes - damals noch unter ihrem Mädchennamen Estera Ter. - abgegeben hat, stellt die Ereignisse so dar:

"Ein Transport aus Wilnow kam an. Ich war damals auf der Rampe und jätete Unkraut, das dort wuchs. Die Deutschen lieben ja Sauberkeit und Ordnung. Bei der Ausladung der Menschen erklärte ein Gestapo-Mann, dass die Kranken auf die Loren warten sollten, die gleich ankommen. Man begann zu je 50 Personen auf eine Lore zu werfen, so, dass viele Menschen gleich erstickten. Die übrigen wurden von Scharführer G. erschossen. Der Oberscharführer Frenzel aus Berlin rief mich zu sich und sagte: "Komm her, Du wirst ein tröstendes Bild sehen". Als ich mich näherte, sah ich ein 11 Monate altes Kind, das im Waggon herumkrabbelte. Frenzel nahm das Kind, drehte ihm das Händchen herum, später griff er das Kind an den Füsschen und zertrümmerte das Köpfchen des Kindes an einer Lore. Mit einem zufriedenen Lächeln fragte er mich: "Wie gefällt es Dir?". ..."

 

Am 1.August 1949 und sodann während der folgenden Monate noch wiederholt ist die Zeugin in Berlin vernommen worden, und zwar sowohl von der polnischen Militärmission wie auch von deutschen Strafverfolgungsbehörden, nämlich sowohl im durch sie zusammen mit