Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.294b LG Köln 22.05.1950 JuNSV Bd.VIII S.771

 

Lfd.Nr.294b    LG Köln    22.05.1950    JuNSV Bd.VIII S.775

 

sei, ohne weiteres auf die Russen mit einem Schlagwerkzeug, er wisse nicht, ob es ein Gummischlauch oder Knüppel gewesen sei, eingeschlagen habe. Die Gefangenen hätten schon vor Angst gezittert, wenn er in Sicht gekommen sei. Dieser Zeuge hat auch gesehen, wie der Angeklagte die im Kreis stehenden und mit Kartoffelschälen beschäftigten Russen einem Besucher des Lagers vorgeführt und dabei jeden Russen vor den Bauch getreten habe, bis er umgefallen sei. Er hat weiter gesehen, wie die Posten, weil ein Befehl nicht befolgt worden sei, ohne weiteres in die Arbeitskolonne hineingeschossen haben, wobei ein Gefangener verletzt worden sei. Der Zeuge Dr. K. bestätigt, dass er diesen Russen behandelt habe. Auch der Angeklagte vermag diesen Vorfall nicht zu leugnen. Er gibt allerdings an, dass es sich "um ein Versehen" gehandelt habe, was durch die Bekundung des Zeugen R. widerlegt ist. Dieser Zeuge bekundet weiter, dass auch die dem Angeklagten unterstellten Posten die Kriegsgefangenen fortlaufend misshandelt hätten, und zwar mit Gummischläuchen. Er sagt aus, dass dem Angeklagten dieses Verhalten seiner Posten bekannt gewesen sei, dass er es selbst beobachtet und geduldet habe. Der Zeuge R. war auch Augenzeuge der Erschiessung eines Russen. Er hat nach seiner Bekundung den Vorfall aus nächster Nähe miterlebt. Er bekundet, dass von einer Widersetzlichkeit des Getöteten keine Rede gewesen sei. Der Russe habe vor der Front der übrigen angetretenen Gefangenen auf dem Boden gelegen und mit gerungenen Händen um Gnade gebeten. Der Angeklagte habe ihn kurzerhand niedergeschossen. Der Zeuge hat sich des öfteren mit seinen Arbeitskameraden über die Behandlung der Gefangenen beschwert. Er sagt aus, dass er jedesmal, wenn er von der Arbeit nach Hause gekommen sei, völlig erschüttert gewesen sei. In ähnlicher Weise hat auch die Zeugin H. ausgesagt und ihre Aussage beschworen. Die Zeugin war Lagerköchin und hatte Gelegenheit, die Behandlung der Gefangenen im Lager aus nächster Nähe zu beobachten. Auch sie war erschüttert und empört über die Misshandlungen und Quälereien, die von dem Angeklagten und seiner Wachmannschaft an den Russen begangen wurden. Sie hat beobachtet, wie die Russen von der Wachmannschaft mit Latten, Stöcken und Gummiknüppeln ständig misshandelt wurden. Nach ihrer Bekundung hat der Angeklagte das Verhalten seiner Posten gesehen und geduldet. Er hat der Zeugin gegenüber erklärt, die Gefangenen seien Bolschewiken und Todfeinde und müssten verrecken. Die Zeugin hat selbst beobachtet, wie der Angeklagte einen Russen mit einer Bierflasche über den Kopf geschlagen hat. Sie bekundet weiter, der Angeklagte habe ihr einmal verboten, einem sterbenden jungen Russen von etwa 16 Jahren die ihm zustehende Brotration zu geben. Der Russe habe dauernd nach Brot gerufen und gejammert. Am Abend sei er gestorben. Frau H. war auch Augenzeugin, wie der Angeklagte die Russen vor den Bauch trat, bis sie umfielen. Sie bekundet weiter, dass der Angeklagte ihr den Befehl erteilt habe, Kartoffeln und Gemüse ungeschält, ungeputzt und ungewaschen in einen Topf zu werfen, "damit Arbeit gespart werde". Es gelang der Zeugin mit Hilfe des Arztes Dr. K., diese Massnahme zu durchkreuzen. Der Arzt Dr. K. hat diese Bekundung der Zeugin H. bestätigt. Die Zeugin H. hat auch miterlebt, wie der Angeklagte den bereits erwähnten Russen niedergeschossen hat. Die Zeugin sagt ferner aus, dass auch die kranken und sterbenden Russen in unmenschlicher und rücksichtsloser Weise behandelt worden seien. Wenn die Russen in ihrem Todeskampfe in Freien zu Boden gefallen seien, so habe man sie einfach liegen lassen, ohne sich darum zu kümmern.

 

Das Gericht hat keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen zu zweifeln. Alle Zeugen machten einen guten Eindruck. Ihre Aussagen waren bestimmt, klar und ohne Widersprüche. Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die Zeugen etwa gegen den Angeklagten eingestellt seien. Der Angeklagte war den Zeugen an sich unbekannt. Er stammt nicht aus der Gegend, in welcher die Zeugen wohnen. Letztere haben das Verfahren gegen den Angeklagten auch nicht in Gang gebracht. Die einzelnen Zeugen mussten von der Ermittlungsbehörde erst ausfindig gemacht werden. Das Gericht hat den Eindruck, dass die Zeugen den Angeklagten nicht etwa aus Gehässigkeit belastet haben. Mit der gleichen Sachlichkeit erkannten sie an, dass der Nachfolger des Angeklagten, der ehemalige Unteroffizier L., sich den Gefangenen gegenüber korrekt und menschlich verhalten habe. Im übrigen haben die Zeugen O., R. und Frau H. ihre Aussagen beschworen. Dass der Zeuge Dr. K. an den verstorbenen Russen keine Spuren von Misshandlungen festgestellt hat, vermag das Ergebnis