Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.294b LG Köln 22.05.1950 JuNSV Bd.VIII S.771

 

Lfd.Nr.294b    LG Köln    22.05.1950    JuNSV Bd.VIII S.774

 

ordnungsgemäss sowohl seiner vorgesetzten Dienststelle als auch dem Arzt Dr. K. gemeldet. Sonstige Erschiessungen von Russen seien nicht erfolgt. Es treffe zu, dass während der Zeit seiner Tätigkeit im Lager etwa 30 bis 35 Russen gestorben seien. Zwei weitere Gefangenen hätten Selbstmord durch Erhängen begangen.

Er wisse nichts davon, dass er auf Grund von Beschwerden von seinem Posten als Lagerführer abgelöst worden sei. Er habe Ende Februar 1942 seinen Urlaub angetreten. Anschliessend sei er als Lagerführer in das Lager Immekeppel und später nach Weyershagen versetzt worden.

 

Mit dieser Einlassung vermag sich der Angeklagte nicht zu entlasten. Sie ist in den wesentlichen Punkten durch die Beweisaufnahme widerlegt.

 

Sämtliche Zeugen bekunden, der Angeklagte selbst vermag es auch nicht zu leugnen, dass die Russen derart geschwächt und unterernährt und in einem so schlechten Gesundheitszustand gewesen seien, dass sie gar nicht hätten arbeiten können. Der Zeuge Dr. K., der mangels eines Lagerarztes die ärztliche Betreuung des Lagers als Zivilarzt übernommen hatte, bekundet, er sei geradezu erschüttert gewesen über den Gesundheitszustand der Russen. Sie seien zu 90% unterernährt gewesen. Der Zeuge G. sagt aus, dass kein Gefangener arbeitsfähig gewesen sei. Das Gleiche bekundet auch der Zeuge O. Dieser Zeuge war Bauführer auf der Reichsbahnstrecke, an der die Gefangenen arbeiten mussten. Er hat unter Eid ausgesagt, die Russen seien so schwach gewesen, dass sie sich aneinander festhalten hätten müssen, um nicht umzufallen. Zehn Gefangene hätten mit Mühe eine einfache Eisenbahnschwelle tragen können. Der Zeuge R., der ebenfalls an der Bahn als Zivilarbeiter beschäftigt war, bestätigt, dass die Russen sich in total geschwächtem Zustand befunden hätten. Auch dieser Zeuge hat seine Aussage mit dem Eide bekräftigt.

Schon allein aus diesem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Schluss zu ziehen, dass die Gefangenen nicht etwa störrisch oder arbeitsunwillig gewesen sind, wie der Angeklagte sich eingelassen hat. Darüber hinaus ist aus den Bekundungen sämtlicher Zeugen ausdrücklich zu entnehmen, dass die Russen gutwillig und gehorsam waren. Insbesondere bekundet der Zeuge G., unter dessen Leitung die Kriegsgefangenen am Bahndamm beschäftigt waren, dass die Russen arbeitswillig gewesen seien und gearbeitet hätten, soweit es in ihren Kräften gestanden habe.

 

Der Zeuge L., der das Lager 14 Tage nach dem Fortgang des Angeklagten übernommen hat, bekundet, dass die Russen, die sich bei seinem Dienstantritt in einem sehr schlechten Zustand befunden hätten, willig und gehorsam gewesen seien, es habe keinerlei Notwendigkeit bestanden, von der Waffe Gebrauch zu machen.

Die Zeugen bekunden weiter übereinstimmend, dass der Angeklagte und die Wachmannschaft die Russen fortlaufend ohne jede Veranlassung sowohl im Lager als auch bei der Arbeit in der übelsten und empörendsten Weise mit Knüppeln, Gummischläuchen, Fusstritten und Kolbenschlägen usw. misshandelt hätten.

Der Zeuge G. sagt aus, der Angeklagte habe, wenn er auf der Baustelle erschienen sei, ständig einen Knüppel bei sich gehabt, mit dem er auf die Leute eingeschlagen habe. Der Zeuge Or. bekundet, dass er selbst gesehen habe, wie der Angeklagte auf der Baustelle die Russen mit einem Knüppel blutig geschlagen habe. Jedesmal, wenn der Angeklagte die Baustelle kontrolliert habe, sei "etwas los" gewesen. Dieser Zeuge hat auch gesehen, wie der Angeklagte schon wenn die Gefangenen aus dem Lager heraustraten, mit seinem Knüppel ohne weitere Veranlassung auf die Leute einschlug. Dieser Zeuge hat auch gesehen, dass die Posten Gummischläuche trugen. Der Zeuge O. hat beschworen, dass der Angeklagte sehr roh mit den Kriegsgefangenen umgegangen sei, indem er wahllos mit einem Knüppel dazwischen geschlagen habe. Der Zeuge hat auch gesehen, dass der Angeklagte einen Russen mit einer Bierflasche über den Kopf geschlagen habe. In einem Spind des Lagers hat der Zeuge auch als Totschläger zurechtgemachte Gummischläuche gesehen.

 

Am bezeichnendsten sind jedoch die eidlichen Aussagen des Zeugen R. und der Zeugin Frau H.

Der Zeuge R. bekundet, dass der Angeklagte jedesmal, wenn er auf der Baustelle erschienen