Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.773

 

Beihilfe zum Mord war also seit dem 5.12.1939 im Höchstfalle mit der Todesstrafe (heute lebenslangem Zuchthaus) bedroht. Die Verjährungsfrist für die von den Angeklagten begangenen Beihilfeverbrechen beträgt daher nach §67 Abs.1 StGB in der im Zeitpunkt des Urteilsspruchs geltenden Fassung 20 Jahre. Diese Frist ist bei Soh. und Zie. durch eine richterliche Handlung, nämlich die Eröffnung der Voruntersuchung gegen die Angeklagten, am 19.11.1964 (Band IV, Bl.7 der Hauptakten) unterbrochen worden.

 

Eine Verkürzung der Verjährungsfrist über §50 Abs.2 StGB ist ebenfalls nicht eingetreten (vgl. inzwischen bestätigend BGH NJW 69, 1181 und NJW 69, 1725). Die besonderen persönlichen Merkmale, die die Strafbarkeit des Täters begründen, liegen sowohl bei Soh. als auch bei Zie. vor (siehe unten C, Ziff.4).

 

3. Kein Strafklageverbrauch

 

Strafklageverbrauch scheidet aus, da weder das gegen Soh. durchgeführte Spruchgerichtsverfahren noch das gegen Zie. gerichtete Spruchkammerverfahren tatidentische Vorgänge betraf und solche Verurteilungen auch keinen Strafklageverbrauch bewirkten.

Die Taten der Angeklagten fallen auch unter keines der seit 1945 in der Bundesrepublik erlassenen Straffreiheitsgesetze.

 

B. Konkrete Tatbeiträge der beiden Angeklagten

 

1. Strafbares Verhalten des Angeklagten Soh.

 

a) Auch wenn es am Beweis dafür fehlt, dass der Angeklagte Soh. je einen direkten Erschiessungsbefehl gab, steht doch fest, dass sich die Teilkommandoführer bei den unter ihrer Verantwortung durchgeführten Häftlingserschiessungen in Babij-Yar und im Bereich Nikolajew bewusst waren, damit der Erwartung des Angeklagten Soh. als ihres unmittelbaren Vorgesetzten zu entsprechen und seine Billigung zu haben. Dabei kommt es insoweit auf Blobels in Kiew gezeigte Aktivität und dessen teilweise persönliche Anwesenheit nicht entscheidend an. Jedenfalls wirkte sich seine (Soh.s) den Untergebenen bekannte Übereinstimmung mit ihrem Tun dahin aus, dass sie sich in ihrer Eigenverantwortung zulasten der Verantwortung ihres direkten Vorgesetzten entlastet fühlten, wodurch ihnen der jeweilige Entschluss, die Erschiessungen durchführen zu lassen, erleichtert wurde. Das wusste und wollte Soh. Mit seinem Auftreten als Gesamtkommandoführer und dem in seiner übergeordneten Funktion ausgeübten Einfluss gab er den Tatausführenden, wie es seiner Absicht entsprach, psychischen Rückhalt.

 

b) Soh. schlug den Angeklagten Zie. als Teilkommandoführer vor. Er war sich hierbei bewusst, dass Zie. im Zuge seiner Aufgabe die bei den Enterdungen seines Teilkommandos eingesetzten Arbeitskräfte erschiessen zu lassen hatte. Soh. benannte seinen alten Kameraden als verlässliches und aus Überzeugung williges Ausführungsorgan gerade auch im Hinblick auf diese für die absolute Geheimhaltung der ganzen Angelegenheit wichtige Massnahme. Wie es dem Willen des Angeklagten entsprach, war die programmgemässe Erschiessung der Gefangenen im Raume Nikolajew unter Zie. als Teilkommandoführer gewährleistet.

 

c) Der Angeklagte sorgte u.a. für Stacheldraht und Ketten, um jeden Fluchtversuch eines Häftlings bis zur Unmöglichkeit zu erschweren. Soh. wollte damit erreichen, dass keiner der Zwangsarbeiter dem Tod entgehen sollte, was ihm auch bis auf die wenigen aus Babij-Yar geflohenen Gefangenen gelungen ist.

 

d) Die den Sonderkommandos zugeteilten Angehörigen der Ordnungspolizei hatten mit der Abschirmung der Enterdungs- und Erschiessungsplätze sowie der strengen Bewachung der Häftlinge einen wesentlichen Beitrag zu deren Todesschicksal zu leisten. Ihre Einweisung