Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.773

 

ff.), die ebenfalls verlesen worden sind, hat der Zeuge den Fall Wessely nicht im Einzelnen erwähnt, sondern lediglich erklärt, dass sowohl Streitwieser wie Bühner häufig einen Hund auf die Häftlinge gehetzt hätten und dass ein Häftling namens Roger Hugues an Bissverletzungen gestorben sei. Das Gericht hatte trotz Fehlen des persönlichen Eindrucks keine Veranlassung, an der Wahrheit der untersuchungsrichterlichen Aussage des Zeugen zu zweifeln, da sie in ihrem wesentlichen Inhalt mit den Aussagen anderer glaubwürdiger Zeugen übereinstimmt und ein Widerspruch zu den früheren Aussagen des Zeugen nicht festzustellen ist.

 

Aufgrund der Aussagen der obengenannten Augenzeugen steht fest:

dass Streitwieser seinen Hund Hasso während des Vorfalles bei sich hatte und dieser sich nicht etwa ohne sein Wissen im Lager aufhielt; dies haben sämtliche Zeugen übereinstimmend bekundet;

dass Streitwieser den Hund entweder ausdrücklich auf Wessely gehetzt hat (so die Zeugen Ma., Agu., Wi. und Woj.) oder dass er ihn zunächst geschlagen und beschimpft hat, worauf der darauf dressierte Hund Wessely gebissen hat (so die Zeugen Klo., Emm., Pav. und Bil.); eine sichere Feststellung konnte infolge der insoweit widersprüchlichen Zeugenaussagen nicht getroffen werden;

dass der Angeklagte den Hund nicht sofort zurückgerufen sondern ihn mehrfach hat zubeissen lassen; dies haben alle Zeugen übereinstimmend bekundet.

 

Fest steht weiter, dass Wessely an den Folgen der Bisswunden verstorben ist. Dies ergibt sich zunächst aus den Aussagen der oben genannten Zeugen, die alle den Tod Wesselys vom Hörensagen erfahren haben, ferner des Zeugen Ri., der sich erinnert, den Totenschein für Wessely selbst ausgefüllt zu haben. Schliesslich hat der Zeuge So., zur Tatzeit SS-Blockführer in Floridsdorf, bekundet, dass er bei einem Kontrollgang durch das Häftlingsrevier den verletzten Wessely gesehen habe; Dr. Kra. habe ihn auf die Verletzungen an Beinen und Unterleib aufmerksam gemacht und ihm erklärt, dass dies Bisswunden seien, die von dem Hunde Streitwiesers herrührten; einige Zeit später habe er den toten Wessely vor seiner Überführung in ein Wiener Krematorium identifiziert; dies sei seine Aufgabe als Blockführer gewesen.

 

Urkundlich ergibt sich der Tod Wesselys in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen endlich aus der oben erwähnten Eintragung im Totenbuch von Mauthausen (Totenbuch von Mauthausen II, Seite 249, lfd.Nr.5824) in Verbindung mit den Todes- und Veränderungsmeldungen Floridsdorf (Ordner "Todesmeldungen Einzelfälle" Bl.92 ff.)

 

b) Rechtliche Würdigung

 

Der Angeklagte hat sich durch sein Verhalten der Körperverletzung mit Todesfolge gem. §§226, 56 StGB schuldig gemacht. Er hat Wessely körperlich verletzt, indem er entweder seinen Hund Hasso auf ihn hetzte oder den Hund durch Schlagen Wesselys dazu veranlasste, auf diesen loszugehen, und ihn dann mehrfach beissen liess.

 

Diese Körperverletzung hat zum Tode Wesselys geführt. Die Körperverletzung hat der Angeklagte vorsätzlich begangen. Selbst wenn er nämlich den Hund nicht ausdrücklich durch Fingerzeig oder Zuruf auf Wessely gehetzt hätte, so war ihm doch bewusst, dass der Hund auch ohne Befehl, wenn er - der Angeklagte - einen Häftling schlug, zuspringen und beissen würde. Er wusste auch, dass sein Hund neben ihm stand und auf den ersten Schlag hinzuspringen und zubeissen würde. Dies wollte der Angeklagte auch, wie sich schon daraus ergibt, dass er den Hund nicht sofort zurückrief, sondern mehrfach zubeissen liess.

Dass der Angeklagte über die Verletzung Wesselys hinaus auch dessen Tod gewollt oder auch nur billigend in Kauf genommen hätte, hat sich nicht erweisen lassen. Es ist durchaus