Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.294b LG Köln 22.05.1950 JuNSV Bd.VIII S.771

 

Lfd.Nr.294b    LG Köln    22.05.1950    JuNSV Bd.VIII S.773

 

Allerdings will dieser Zeuge von Misshandlungen und Erschiessungen nichts gewusst und seine Beschwerde nur auf die unzureichende Verpflegung erstreckt haben. Auch der Zeuge Dr. K. will zwei Wochen vor der Ablösung des Angeklagten eine Beschwerde über die Zustände im Lager an eine Dienststelle gerichtet haben, die er heute nicht mehr näher bezeichnen kann. Es erschien auch eine Kommission im Lager, ohne dass jedoch zunächst etwas geschah.

 

Ende Februar 1942 wurde der Angeklagte von seinem Posten abgelöst. Ob diese Ablösung auf die verschiedenen Beschwerden zurückzuführen ist, konnte nicht mit Sicherheit geklärt werden.

Im März 1942 übernahm der Zeuge L. die Führung des Lagers, nachdem zunächst ein anderer Lagerführer etwa 14 Tage lang Dienst getan hatte. Mit der Übernahme des Kommandos durch den Zeugen L. hörte die rohe Behandlung der Kriegsgefangenen auf. L. veranlasste eine Untersuchung der Gefangenen durch den zuständigen Korpsarzt in Münster. Die arbeitsunfähigen Leute wurden ausgesondert. Die anderen wurden gepflegt, bis sie arbeitsfähig waren. Das Massensterben hörte auf. Es gelang dem Zeugen L., zusätzliche Verpflegung in Form von Pferdefleisch für die Gefangenen zu erhalten. Von der Waffe oder anderen Werkzeugen wurde kein Gebrauch mehr gemacht. Der Zeuge L. und seine Wachmannschaft kamen im Bedarfsfalle mit einfachen Disziplinarmassnahmen aus, die bei jeder militärischen Einheit üblich sind.

 

Dieser Sachverhalt beruht auf der eigenen Einlassung des Angeklagten und den Bekundungen der vernommenen Zeugen B., Os., L., Dr. K., G., Or., O., R. und Frau H.

 

Der Angeklagte gibt zu, die Gefangenen mit dem Gewehrkolben geschlagen, getreten und geohrfeigt zu haben. Er lässt sich dahin ein, die Leute seien störrisch gewesen, so dass er sie zur Arbeit habe antreiben müssen. Da er sich mit ihnen nicht habe verständigen können, habe er dies auf diese Weise getan. Es treffe jedoch nicht zu, dass er die Kriegsgefangenen blutig geschlagen oder mit Bierflaschen oder anderen Werkzeugen misshandelt habe. Auch von rohen Misshandlungen durch die Wachmannschaft wisse er nichts. Es treffe zu, dass das Lager in einem menschenunwürdigen Zustand gewesen sei und dass die Russen völlig unterernährt angekommen seien. Er habe sich dieserhalb an seine vorgesetzte Dienststelle gewandt und um Abhilfe gebeten. Insbesondere habe er ausreichende Verpflegung gefordert. Jegliche Unterstützung sei jedoch abgelehnt worden mit der Begründung, für die Russen sei nichts da. Die Reichsbahn habe überdies auf die schleunige Durchführung der Arbeiten gedrängt, so dass ihm nichts anderes übrig geblieben sei, als die Russen zur Arbeit anzutreiben. Er habe sich an die Bauern der Umgegend zwecks besserer Verpflegung der Gefangenen gewandt, jedoch ohne Erfolg. Es sei ihm lediglich gelungen, Stroh für die Gefangenen zu beschaffen. Auf seine Veranlassung sei eine Kommission im Lager erschienen. Diese habe die Russen jedoch für arbeitsfähig erklärt. Da die Verpflegung für die Kriegsgefangenen sehr knapp gewesen sei, habe er der Lagerköchin die Anweisung gegeben, die Kartoffeln mit der Schale und das Gemüse ungeputzt zu kochen, um wenigstens auf diese Weise das Essen zu strecken. Die Köchin sei dieser Anweisung jedoch nicht nachgekommen. Er habe mit dieser Massnahme die Gefangenen nicht etwa quälen wollen. Er wisse auch nichts davon, dass er einem sterbenden Russen das Brot verweigert haben solle. Im Gegenteil habe er sich nach besten Kräften um die Kranken und Sterbenden bemüht.

Der Angeklagte gibt zu, einen Russen erschossen zu haben. Hierzu lässt er sich folgendermassen ein: der betreffende Gefangene sei als Krankenpfleger eingesetzt gewesen. Er, der Angeklagte, habe festgestellt, dass der Pfleger seinen kranken Kameraden das Brot weggenommen habe. Aus diesem Grunde habe er den Russen von seinem Posten abgelöst und angeordnet, dass er mit zum Arbeiten ausrücken solle. Diesem Befehl habe sich der Russe widersetzt. Er sei so aufsässig gewesen, dass er sich zu Boden geworfen habe und mit Gewalt aus der Baracke herausgeschafft habe werden müssen. Er habe sich geweigert, mit den übrigen Russen anzutreten und sich vor der Front zu Boden geworfen. Aus diesem Grunde habe er ihn erschossen, um die Disziplin nicht zu gefährden. Er habe nach einem damals erlassenen Befehl das Recht gehabt, jeden Russen bei Widersetzlichkeit sofort zu erschiessen. Er habe diesen Fall