Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.294b LG Köln 22.05.1950 JuNSV Bd.VIII S.771

 

Lfd.Nr.294b    LG Köln    22.05.1950    JuNSV Bd.VIII S.771

 

24 Ks 2/50

 

Im Namen des Volkes

 

 

Strafsache gegen

 

den Arbeiter F. 224, geboren am 23.12.1897 zu Kupferdreh bei Essen, wohnhaft zu Langenberg,

 

wegen Totschlags, Verletzung der Obhutspflicht und gefährlicher Körperverletzung.

 

Das Schwurgericht in Köln hat in der Sitzung vom 22.5.1950 für Recht erkannt:

 

Der Angeklagte wird unter Freisprechung im übrigen wegen Totschlags und wegen Verletzung der Obhutspflicht gegenüber Kriegsgefangenen zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und zu drei Jahren Ehrverlust verurteilt.

Soweit Freisprechung erfolgt, fallen die Kosten der Staatskasse, im übrigen dem Angeklagten zur Last.

 

 

GRÜNDE

 

Der Angeklagte ist am 23.12.1897 als Sohn eines Bergmanns in Kupferdreh geboren. Ausser ihm waren noch vier Geschwister vorhanden. Alle Klassen der Volksschule hat er mit Erfolg durchgemacht. Nach der Schulentlassung wurde er Bergmann. Nach dem ersten Weltkrieg wechselte er seinen Beruf und ist nunmehr Hilfsarbeiter in einer Papierfabrik in Langenberg. Dort erhält er einen monatlichen Nettolohn von 320.- - 350.- DM. Im Jahre 1922 heiratete er. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Vorbestraft ist er nicht. Besonderheiten in seinem Entwicklungsgang konnten nicht festgestellt werden. Seine Verhältnisse sind geordnet. An seinem Wohnort Langenberg ist er als ordentlicher und fleissiger Arbeiter bekannt. Sein Leumund ist gut.

 

Im Januar 1940 wurde der Angeklagte zum Heeresdienst eingezogen. Nach dem Frankreichfeldzug wurde er, inzwischen zum Unteroffizier befördert, zu einem in Bergisch Gladbach stationierten Wachbataillon, einer Landesschützeneinheit, versetzt, welche dem Stalag 6 in Bonn unterstand. Mitte Dezember 1941 wurde der Angeklagte mit einer seiner Befehlsgewalt unterstehenden Wachmannschaft von etwa 6 bis 7 Mann als Lagerführer zu dem Gefangenenlager in Hommerich im Rheinisch-Bergischen Kreis versetzt. In diesem Lager hatten sich bis dahin französische Kriegsgefangene befunden. Nunmehr sollten dort russische Kriegsgefangene untergebracht werden. Kurz nach der Übernahme des Lagers durch den Angeklagten kam ein Transport von etwa 100 russischen Kriegsgefangenen an, die in dem Lager untergebracht wurden und als Streckenarbeiter an der dortigen Reichsbahnstrecke eingesetzt werden sollten. Diese Gefangenen befanden sich in einem sehr schlechten Gesundheits- und Ernährungszustand, so dass sie zum grössten Teil überhaupt nicht arbeitsfähig waren. Mindestens seit ihrer Gefangennahme hatten sie ordnungsmässige Verpflegung nicht mehr erhalten. Der damalige Bauführer, der Zeuge O., der die Streckenarbeiten leitete, wies den Angeklagten darauf hin, dass man den Russen zunächst einige Zeit Ruhe gönnen müsse, damit sie sich erholen könnten und wieder arbeitsfähig würden. Hierauf ging der Angeklagte jedoch nicht ein. Er bewilligte nur einen Tag Arbeitspause und liess dann die Gefangenen sofort zur Arbeit an der Strecke führen, obwohl sie so schwach waren, dass sie sich gegenseitig festhielten. Die Behandlung der Russen in und ausserhalb des Lagers

 

224 Aufgehoben gegen F., soweit er wegen Totschlags verurteilt ist, sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe durch Urteil des BGH vom 23.2.1951, 3 StR 5/50, Lfd.Nr.294c.