Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.767

 

bestrafen, ohne jedoch seinen Tod zu wollen oder auch nur billigend in Kauf zu nehmen. Anschliessend liess er ihn ins Revier schaffen. Bei dem Verletzten trat nach einiger Zeit - wie häufig nach Hundebissen - eine Sepsis ein, die zum Tode führte. Der Tod Wesselys wurde aufgrund einer Todes- bzw. Veränderungsmeldung, nach der er am 5.12.1944, 17.30 Uhr, gestorben ist, nach Mauthausen gemeldet. Im Totenbuch von Mauthausen findet sich eine entsprechende Eintragung. Als Todesursache ist vermerkt: "Phlegmone rechter Unterschenkel und Fuss, Sepsis". Die Leiche Wesselys wurde in unbekleidetem Zustand in einer Holzkiste zur Verbrennung in einem Krematorium in Wien geschafft.

 

Der Angeklagte bestreitet seine Schuld und lässt sich wie folgt ein:

 

Er sei eines Tages in den Häftlingsbereich seines Lagers Floridsdorf gekommen und von dem Zeugen Cür. - damals der Sanitätsdienstgrad in Floridsdorf - davon unterrichtet worden, dass der Häftling Wessely Schuhe gestohlen habe und sie trage. Er sei daraufhin zu Wessely gegangen und habe ihn zur Rede gestellt. Dieser habe ihn angelogen, dass er die Schuhe in einem Paket von zu Hause geschickt bekommen hätte. Wegen dieser Lüge habe er ihn ein- oder zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Im gleichen Augenblick sei sein Hund "Hasso" an ihm vorbeigesprungen und habe den Häftling angefallen. Er - Streitwieser - habe nichts davon gewusst, dass der Hund überhaupt im Lager gewesen sei; denn er selbst habe das Lager ohne den Hund betreten. Es könne sein, dass sein Bursche "Max" inzwischen ohne sein Wissen mit dem Hund das Lager betreten habe. Hätte er - der Angeklagte - von der Anwesenheit des Hundes gewusst, so hätte er nicht geschlagen, weil ihm ja bekannt gewesen sei, dass der Hund Häftlinge im Falle eines Schlages von ihm sofort angefallen hätte. Nach einer Schrecksekunde habe er den Hund sofort zurückgerissen. Da er gesehen habe, dass Wessely stark blutete, habe er seine sofortige Einweisung ins Revier veranlasst. In der Folgezeit habe er ihn 4 oder 5 mal im Revier besucht und sich nach seinem Befinden erkundigt. Wessely habe ihm erklärt, dass seine ärztliche Betreuung gut sei. Gleichwohl habe er vom Tode Wesselys damals nichts erfahren, weil der Häftlingsarzt Dr. Jou. ihm eines Tages anlässlich eines Besuches gesagt habe, er - der Angeklagte - solle nicht so häufig ins Revier kommen; es könne sein, dass er sonst eine ansteckende Krankheit auf seinen Sohn übertragen würde.

Beim Tathergang seien ausser ihm und Wessely die Zeugen Wi., Pav. und Cür. zugegen gewesen. An die Anwesenheit seines Rapportführers Bühner könne er sich nicht erinnern.

 

Die Einlassung des Angeklagten ist entsprechend den getroffenen Feststellungen widerlegt.

 

Der Angeklagte leugnet selbst nicht, dass er den Häftling Wessely wegen eines Paars von ihm "organisierter" Schuhe zur Rede gestellt und geohrfeigt hat, dass sein Hund Hasso daraufhin Wessely angesprungen und gebissen hat. Da dieser äussere Tathergang von zahlreichen Zeugen (vor allem die Zeugen Ma., Pav., Wi., Bec. und Emm.) bestätigt wird, bedarf es hier keiner eingehenderen Beweiswürdigung. Insoweit kann der Einlassung des Angeklagten gefolgt werden. - Dem steht nicht entgegen, dass u.a. die Zeugen Agu., Col., Do., Hal. und Mac. in einem nach Kriegsende gegen den Rapportführer Bühner durchgeführten französischen Strafverfahren diesen beschuldigt haben, den Hund "Hasso" auf Wessely gehetzt zu haben, so dass Wessely später an den Folgen erlittener Bissverletzungen gestorben sei. (Die französischen Gerichte sind diesen Aussagen gefolgt und haben Bühner durch Urteile vom 6.9.1949 und 6.1.1950 unter anderem wegen dieser Tat zum Tode verurteilt). - Beiakte Bühner Bd.I, Bl.377 ff. und 266 ff.) Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum sich der Angeklagte Streitwieser der Wahrheit zuwider einer auch nur äusserlichen Tatbeteiligung beschuldigen sollte, wenn in Wirklichkeit sein Rapportführer Bühner die Tat als Alleintäter in seiner - des Angeklagten - Abwesenheit begangen hätte. Der Angeklagte hat in vorliegendem Verfahren jeden Schuldvorwurf und jede Tatbeteiligung - wenn immer es auch nur die geringste Erfolgsaussicht hatte - konsequent bestritten. Das Gericht ist überzeugt, dass er im Falle Wessely nur deshalb wahrheitsgemäss seine äussere Tatbeteiligung