Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.766

 

stattfinden zu lassen, da der Tod des Beschuldigten zu vermuten ist. Daher bitte ich Sie, die Einstellung betreiben zu wollen und das Motiv dazu aus dieser Todesvermutung zu nehmen. So könnte die Sache für den Fall des unvorhergesehenen Dazukommens eines neuen Ereignisses welches in dem Wiederauftauchen Streitwiesers bestehen würde, wiederaufgenommen und entschieden werden ....."

Der Untersuchungsrichter beim französischen Gericht 1.Instanz in Rastatt hat daraufhin am 14.4.1953 im Wege eines Einstellungsbeschlusses erklärt,

"..... dass die öffentliche Klage durch den Tod des Beschuldigten erledigt ist und sein Tod vermutet wird. Schliesslich ordnen wir noch die Niederlegung des Verfahrens bei der Geschäftsstelle an, damit es im Falle unvorhergesehenen Dazukommens neuer Belastungen wiederaufgenommen werden kann ....."

 

Aufgrund des Inhalts dieses Einstellungsbeschlusses in Verbindung mit dem Schreiben vom 2.4.1953 ist ganz eindeutig, dass ein französisches Verfahren bei Wiederauftauchen des Angeklagten ohne weiteres hätte durchgeführt werden können. Keinesfalls hätte es etwa des "Dazukommens" neuer Belastungen bedurft. Eine derartige Formulierung findet sich zwar am Ende des Einstellungsbeschlusses. Doch ist aus dem Gesamtzusammenhang deutlich ersichtlich, dass allein der vermutete Tod des Angeklagten Einstellungsursache war und dass der Untersuchungsrichter offensichtlich vergessen hatte, die in dem Einstellungsformular vorgedruckte Formulierung "im Falle unvorhergesehenen Dazukommens neuer Belastungen" zu streichen und durch die Worte "im Falle unvorhergesehenen Wiederauftauchens Streitwiesers" zu ersetzen.

 

Hätten hiernach die französischen Ermittlungsbehörden trotz Vorliegen des Einstellungsbeschlusses jederzeit das Verfahren gegen den Angeklagten wiederaufnehmen können, falls dieser entgegen der Vermutung noch lebte, so liegt eine endgültige Einstellung i.S.d. Überleitungsvertrages nicht vor, und der Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit steht nichts im Wege.

 

3.) Körperverletzung mit Todesfolge des Häftlings Wessely im Herbst 1944 im Nebenlager Wien-Floridsdorf

(Fall D II 126 der Anklage)

 

a) Tatsächliche Feststellungen

 

Im Herbst 1944 fiel im Nebenlager Wien-Floridsdorf der dort als Blockältester eingesetzte österreichische Häftling Wessely dadurch auf, dass er anstelle des normalen Häftlingschuhwerks - Holzsohle mit Lederoberteil - ein Paar Lederschuhe gelblicher Farbe trug. Hiervon wurde dem Angeklagten - damals Lagerführer in Floridsdorf - wahrscheinlich durch den Zeugen Cür. Meldung erstattet. Als der Angeklagte zusammen mit seinem Schäferhund Hasso ins Lager kam, stellte er Wessely, der gerade mit einem Leiterwagen das Lager zum Arbeitseinsatz verlassen wollte, zur Rede. Es soll unterstellt werden, dass Wessely, nach der Herkunft der Schuhe befragt, dem Angeklagten die Unwahrheit sagte.

 

Dieser hetzte daraufhin entweder den Hund auf Wessely oder er schlug ihn ins Gesicht, worauf der Hund Wessely ohne besonderen Befehl ansprang. Jedenfalls aber wusste der Angeklagte, dass sein Hund bei ihm war und dass dieser darauf dressiert war, jeden Häftling anzufallen, der von - ihm - dem Angeklagten geschlagen wurde. Der Hund biss Wessely mehrfach in Oberschenkel und Geschlechtsteil, so dass dieser stark blutete. Die Verletzungen waren so schwerwiegend, dass sie bei den dürftigen Revierverhältnissen im Lager nicht heilbar waren. Der Angeklagte rief seinen Hund nicht sofort zurück, sondern wartete damit eine - wie zu seinen Gunsten unterstellt werden soll - kurze Zeit. Er bezweckte mit seinem Verhalten, Wessely wegen seiner Lüge und wegen des "Organisierens" der Schuhe zu