Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.294a LG Köln 19.10.1951 JuNSV Bd.VIII S.765

 

Lfd.Nr.294a    LG Köln    19.10.1951    JuNSV Bd.VIII S.766

 

Verladekolonne zugeteilt und wird ausserdem im Bedarfsfalle zu Aushilfsarbeiten aller Art herangezogen. Seine Arbeitswilligkeit, sein Fleiss und seine Zuverlässigkeit werden von seinem Arbeitgeber uneingeschränkt anerkannt. Durch seine im Januar 1940 erfolgte Einziehung zum Wehrdienst erfuhr seine Tätigkeit bei der Firma Laakmann eine Unterbrechung. Er kam als Gefreiter zu einem Wachbataillon zum Westwall. Nach Beförderung zum Unteroffizier wurde er einer Landesschützeneinheit zugeteilt. Mitte Dezember 1941 wurde er mit einer seiner Befehlsgewalt unterstehenden Wachmannschaft von 6 bis 7 Mann nach Absolvierung eines Lehrganges als Lagerführer zu dem Gefangenenlager in Hommerich im Rheinisch-Bergischen Kreis versetzt. Ende Februar 1942 wurde er von diesem Posten abgelöst. Nach Einsatz in der Normandie und in Westpreussen geriet der Angeklagte Ende des Krieges in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Oktober 1945 entlassen wurde. Nach seiner Entlassung nahm er seine Tätigkeit bei der Firma Laakmann wieder auf.

Der Angeklagte hat im Jahre 1922 geheiratet. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Seine häuslichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet. Der Angeklagte geniesst einen guten Leumund. Er gilt als gutmütiger, umgänglicher Mensch. Nach Bekundung des Zeugen He. hat sich der Angeklagte vor einigen Jahren unter Einsatz seines Lebens für die Bergung von dessen Mutter bei einem Strassenbahnunglück eingesetzt. Von dem Zeugen Pfarrer W. wird bekundet, dass der Angeklagte in seinem Pfarrbezirk wegen seiner Kinderliebe und als Tierfreund bekannt sei.

 

Die hier zur Aburteilung stehende Tat entstammt aus der Zeit, in der der Angeklagte von Mitte Dezember 1941 bis Ende Februar 1942 als Lagerführer in dem Lager Hommerich eingesetzt war. Zu dieser Zeit befanden sich etwa 100 kriegsgefangene Russen in dem Lager, die für Streckenarbeiten an der Eisenbahnstrecke Hommerich - Immekeppel eingesetzt waren. Die Unterbringung erfolgte in zwei Baracken. Ausserdem war eine dritte Baracke vorhanden, die zur Aufnahme von kranken Kriegsgefangenen diente. Der Ernährungszustand der Kriegsgefangenen war denkbar schlecht, die Verpflegung völlig unzureichend. Die Insassen des Lagers waren teilweise so schwach, dass sie sich gegenseitig beim Gehen stützen mussten. Sie hatten morgens anzutreten und wurden dann mit der Wachmannschaft am Lagertor von Bediensteten der Reichsbahn abgeholt und an die jeweiligen Arbeitsplätze begleitet.

Wie im Urteil des Schwurgerichtes vom 22.5.1950 festgestellt worden ist, hat der Angeklagte während seiner Zeit als Lagerführer die seiner Kommandogewalt unterstellten und seiner Obhut anvertrauten kranken und wehrlosen Kriegsgefangenen gequält und roh misshandelt und auch Quälereien und Misshandlungen durch seine Wachmannschaft zugelassen. Während der Angeklagte bisher sein Verhalten gegenüber den Kriegsgefangenen damit gerechtfertigt hat, dass er gezwungen gewesen sei, sie wegen ihrer Störrischkeit und Arbeitsunwilligkeit zu züchtigen, hat er in der heutigen Hauptverhandlung den vom Schwurgericht rechtskräftig festgestellten Sachverhalt bezgl. dieser Misshandlungen zugegeben.

 

Da im Januar 1942 in der Krankenbaracke typhuskranke kriegsgefangene Russen untergebracht waren, stellte der Angeklagte, um deutsches Personal zu schonen, einen Russen als Krankenpfleger ab und beurlaubte ihn aus diesem Grunde von dem Arbeitskommando. Nach etwa 8 Tagen wurde ihm von der Wachmannschaft gemeldet, dass dieser Russe das Essen und Brot nicht in der ihnen zustehenden Ration an die Insassen der Krankenbaracke verteile. Er machte ihm hierüber am gleichen Tage durch Zeichen und Gebärden Vorhaltungen, da er sich auf andere Weise nicht verständlich machen konnte. Der Russe verstand die deutsche Sprache nicht, und der Angeklagte verstand kein Russisch. Als ihm am anderen Tage die gleichen Beschwerden gemeldet wurden, suchte er den Russen in der Krankenbaracke auf und wollte ihn veranlassen, sich in das Glied des auf dem Lagerplatz angetretenen Arbeitskommandos von 30 bis 40 Russen einzureihen. Er hatte hierbei die Absicht, den Russen als Krankenpfleger abzulösen und wieder zur Arbeit einzusetzen. Da der Russe nicht freiwillig die Baracke verliess, liess ihn der Angeklagte durch zwei Wachtposten aus der Baracke führen. Auf dem Lagerplatz warf sich der Russe auf die Knie, hob die Hände in Brusthöhe und rief "nix, nix". Der Angeklagte ergriff nun den Karabiner eines nahestehenden Wachmannes, legte in etwa 5 m Abstand auf den Russen an und drückte nach einigen Sekunden