Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.765

 

der Besatzungsmächte. Sie stellt den Ausnahmefall einer Einschränkung der deutschen Souveränität dar. Diese aber hat im Zweifel den Vorrang, so dass nur die sichere Kenntnis einer Entscheidung der drei alliierten Mächte, die für eine bestimmte Tat und einen bestimmten Täter das Verfahren beendet hat, die Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit hindern kann; die blosse Möglichkeit, dass eine solche Entscheidung ergangen sein könnte, schliesst die deutsche Gerichtsbarkeit nicht aus. - Es besteht auch keine besondere Aufklärungspflicht des Gerichtes. Einziger vom Gericht zu beachtender Gesichtspunkt ist die Vertragstreue der Bundesrepublik. Diesem Erfordernis aber genügt das Gericht, wenn es ihm bekanntgewordene Entscheidungen der drei Mächte beachtet. Wo ihm solche Entscheidungen nicht unterbreitet werden, darf es sich darauf verlassen, dass die Staatsanwaltschaft als dazu berufene Behörde die in Betracht kommenden Ermittlungen angestellt hat. (Vgl. BGHSt. Bd.21, S.29 ff.).

 

Dem Gericht ist vorliegend zur Einlassung des Angeklagten nichts unterbreitet worden, was geeignet wäre, die deutsche Gerichtsbarkeit auszuschliessen.

 

Zu a): amerikanisches Verfahren

Hierzu hat die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie beim Headquarters United States Army, Europe, Office of Judge Advocate Nachforschungen über ein Verfahren gegen den Angeklagten Streitwieser angestellt habe. Sie habe die Nachricht erhalten, dass ein solches Verfahren nicht durchgeführt worden sei. Es habe zwar im Internierungslager Auerbach ein Lieutenant Korff existiert; dieser habe aber keinerlei richterliche Funktion ausgeübt und könne sich an Streitwieser nicht erinnern.

 

Zu b): französisches Verfahren

Aufgrund der dem Gericht zugänglich gemachten Akten steht fest, dass ein französisches Ermittlungsverfahren der Hohen Kommission für Deutschland gegen den Angeklagten Streitwieser durchgeführt worden ist, in dem eine Anzahl von Zeugen vernommen (vgl. Bd.I, Bl.23a-228 der BA Bühner) und am 30.5.1951 ein Haftbefehl erlassen worden ist (vgl. Bd.I Bl.2 der BA Bühner). Dieses Verfahren hat aber keinen endgültigen Abschluss im Sinne der obigen Ausführungen gefunden.

 

Die Nachforschungen des von der Anklagebehörde beauftragten Staatsanwalts Hara., deren Ergebnis er als Sachverständiger dem Gericht vorgetragen hat, haben vielmehr folgendes ergeben:

 

Mit Schreiben vom 30.5.1951 hat die Alliierte Hohe Kommission den Untersuchungsrichter gebeten, aufgrund der im Bühner-Verfahren aufgetauchten schweren Belastungen des Angeklagten Streitwieser gegen diesen eine Untersuchung einzuleiten. Im Verlauf dieser Untersuchung sind dann - wie oben ausgeführt - zahlreiche Zeugen zu den in den Wiener Nebenlagern begangenen Straftaten vernommen und ein Haftbefehl erlassen worden.

Inzwischen war der Alliierten Hohen Kommission aber bekannt geworden, dass bezüglich des Angeklagten ein Todeserklärungsverfahren lief (vgl. oben S.637) welches - wie dargelegt - am 25.4.1953 tatsächlich mit der rechtskräftigen Todeserklärung des Angeklagten endete. Die Tatsache dieses schwebenden Verfahrens veranlasste die Hohe Alliierte Kommission zu einem an den Untersuchungsrichter weitergeleiteten Schreiben vom 24.4.1953 140, das auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"..... Die gegen Streitwieser zusammengetragenen Belastungen sind offensichtlich sehr erheblich. Ich bin aber der Ansicht, dass es nicht zweckmässig wäre, beim jetzigen Stande eine mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof

 

140 Richtig wohl: 2.4.1953.