Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.761

 

diesbezüglichen Angaben machten klar, dass das Kommando von Kriwoj Rog bis nach Nikolajew mehr als 2 Wochen brauchte. Im übrigen ergab auch die Verlesung des Schreibens der deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt) vom 29.1.1969, dass ein Major Herzog weder in den Listen des vormaligen Stalag 364 Nikolajew noch sonst im ehemaligen Wehrmachtsbereich Nikolajew ermittelt werden konnte. Schliesslich ist auch dem Zeugen Klo., der von September 1942 bis Dezember 1943 im Lager (anfangs im Aussenlager Cherson) als Schreiber eingesetzt war, kein Major Herzog als zum Lagerpersonal gehöriger Offizier bekannt geworden. Dies versicherte der Zeuge glaubhaft. Da ihm als Schreiber der Lagerkommandant "Herzog" nicht hätte unbekannt bleiben können, setzte seine Aussage den Schlussstein für den Nachweis, dass es den "Lagerkommandanten Herzog" in Nikolajew nie gegeben hat. Aus alledem wurde klar, dass Zie. hier einem vermeintlich unauffindbaren Zeugen, dessen richtigen Namen er nur geringfügig - vermutlich unbeabsichtigt - verändert hatte, Worte und Anregungen in den Mund zu legen versuchte, die nie gefallen sind, um so - in der Hoffnung auf Unwiderlegbarkeit - sein unrichtiges Vorbringen zu stützen. Durch dieses aufgedeckte Manöver wurde Zie., soweit er feststellbare Tatsachen zu leugnen versuchte, unglaubwürdig.

 

Die Aussage des Zeugen Klo. trug auch insoweit zur Widerlegung des Angeklagten Zie. bei, als auch er - wie der Zeuge He. - nichts von einer etwaigen grösseren Seuche im Lager Nikolajew wusste, sondern im Gegenteil bekundete, dass während seiner Zeit nur wenige Gefangene im Lager gestorben sind. Allerdings hat der Zeuge erfahren, dass es den Kriegsgefangenen anfangs entschieden schlechter gegangen sei, woraus er auf eine mögliche höhere Sterblichkeit vor seiner Zeit schloss. Von einem Massengrab mit Tausenden toter Kriegsgefangener hat er aber nie etwas gehört, obwohl er in seiner Funktion am ehesten zu solchen Kenntnissen hätte gelangen müssen.

 

Somit war schon aufgrund der Aussagen der Zeugen He. und Klo. das Vorbringen Zie., sein Teilkommando habe Menschen, die eines natürlichen Todes gestorben seien, exhumiert, als entkräftet anzusehen. Insoweit fanden sich aber auch noch zusätzliche Anhaltspunkte gegen Zie.s Einlassung: Zie. brachte zur Stützung seiner Darstellung vor, Soh. habe seinerzeit den Kontakt zwischen ihm (Zie.) und dem Lagerkommandanten "Herzog" zum Zwecke der Enterdung der Leichen von Kriegsgefangenen vermittelt, weil nichts Näheres über die Lage anderer Massengräber in Erfahrung habe gebracht werden können, andererseits aber von oben Erfolgsmeldungen erwartet worden seien. Offenbar war Zie. davon ausgegangen, Soh. würde dies ihm (und sich selbst) zu Liebe bestätigen. Das Gegenteil war der Fall: Soh. wies diese Behauptung entschieden von sich und distanzierte sich in dem Punkt deutlich von Zie., indem er sehr bestimmt erklärte, dass er sich von seiner ersten bis zur letzten Vernehmung niemals an einen Major Herzog oder an die Enterdung in einem Kriegsgefangenenlager erinnert habe. Ein Gespräch mit einem oder über einen Major Herzog sei ihm auch heute nicht erinnerlich. Zie. wurde hier auch vom Angeklagten Kir. nicht unterstützt. Kir. bestätigte zwar Zie.s Angaben insoweit, als er vorbrachte, dass er in der Tat einmal einen Wehrmachtsoffizier, der zusammen mit einem SS-Führer als Gast bei Zie. erschienen sei, habe bewirten müssen. Den Rang des Besuchers, den Grund seines Besuches und den Gesprächsgegenstand konnte er jedoch nicht angeben.

 

Schliesslich erbrachte auch der Zeuge Heg. Beweis dafür, dass Zie.s Kommando in Nikolajew - zumindest auch - Leichen von Zivilisten vernichtete, die während der deutschen Besetzung durch Angehörige der Sicherheitspolizei und des SD massenweise erschossen worden waren. Heg. brachte wiederholt und - trotz seiner verständlichen Nervosität und dem Streben, sich selbst zu verteidigen - insoweit durchaus glaubhaft zum Ausdruck, dass seine Dienststelle die Lage früherer Massenexekutionsstätten zunächst nach oben melden musste, so dass er darüber beim Erscheinen des Sonderkommandos 1005 B informiert war und diese Gräberstellen dem Kommando auch richtig bezeichnen konnte. Die direkte Frage, wer in