Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.293b OLG Frankfurt/M. 25.07.1951 JuNSV Bd.VIII S.758

 

Lfd.Nr.293b    OLG Frankfurt/M.    25.07.1951    JuNSV Bd.VIII S.760

 

7. Unzureichend sind auch die Feststellungen des angefochtenen Urteils zur inneren Tatseite. Es ist vor allem nicht ersichtlich, ob das Schwurgericht den Angeklagten T. als Täter (Mittäter, §47 RStGB) verurteilt hat, bezw. ob das Schwurgericht erkannt hat, dass er nach dem festgestellten Sachverhalt unter Umständen auch als Anstifter in Betracht kommen konnte.

 

8. Die Ausführungen des Schwurgerichts, dass in der Person des Angeklagten T. weder ein Notstand (§54 RStGB) noch ein Nötigungsstand (§52 RStGB) gegeben war, sind nicht begründet. Eine Begründung wäre jedoch notwendig gewesen, weil das Urteil andererseits feststellt, dass der sogenannte Sippenhaftungsbefehl allen Wehrmachtsangehörigen und Polizeibeamten zur Kenntnis gebracht worden war und demgemäss auch den Angeklagten bekannt gewesen ist.

 

9. Das Schwurgericht hat zwar - wenn auch mit widerspruchsvoller Begründung - ausgeführt, dass der Katastrophenerlass nicht als gültige Rechtsnorm angesehen werden kann. Dass der Angeklagte T. sich nach den Feststellungen des Urteils auf diesen Erlass nicht ausdrücklich berufen hat, konnte das Schwurgericht jedoch nicht der Verpflichtung entheben, nachzuprüfen, welche Vorstellung der Angeklagte selbst von der Rechtsgültigkeit des Katastrophenerlasses gehabt hat. Diese Prüfung muss nachgeholt werden. Denn hätte der Angeklagte T. den Katastrophenerlass für verbindliches Recht gehalten, und wäre es - sei es auch nur nach seiner Vorstellung - nicht mehr möglich gewesen, zur Aburteilung der 5 Ausländer ein Standgericht zu bilden oder zusammenzurufen, so könne er sich in Putativnotwehr befunden haben. Hätte jedoch diese Annahme des Angeklagten T. auf Fahrlässigkeit beruht, so müsste er wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung gezogen werden. Andererseits könnte ihn Rechtsblindheit nicht entschuldigen.

 

10. Das angefochtene Urteil führt zur inneren Tatseite nur aus, der Angeklagte habe deshalb schuldhaft gehandelt, weil sein Wille darauf gerichtet war, den Tod der 5 Ausländer herbeizuführen und weil er auch die Vorstellung des von ihm gewollten Erfolges gehabt habe. Diese Ausführungen verwechseln das schuldhafte Handeln mit dem vorsätzlichen Handeln. In der Feststellung, dass der Angeklagte - woran kein Zweifel bestehen kann - vorsätzlich gehandelt hat, ist noch nicht die Feststellung enthalten, dass sein Handeln auch schuldhaft war. Es wird darauf ankommen, ob der Angeklagte das Bewusstsein gehabt hat, rechtswidrig zu handeln oder ob ihm dieses Bewusstsein fahrlässigerweise gefehlt hat.

 

B. Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten Ha.

 

1. Der Revision der Staatsanwaltschaft muss zugegeben werden, dass auch die Freisprechung des Angeklagten Ha. einer Nachprüfung nicht standhält. Zwar konnte nach den bisherigen Feststellungen der Angeklagte Ha. die Rechtswidrigkeit des ihm erteilten Befehls nicht schon daraus erkennen, dass der Angeklagte T. in diesem Zusammenhang den Mangel an Fahrzeugen für den Abtransport der Ausländer erwähnt hat. Denn dem Urteil kann immerhin entnommen werden, dass das Fehlen von Transportmitteln für den Angeklagten T. eben nur eine Erwägung war. Daraus erfolgt nicht notwendig, dass er die Erschiessung allein wegen Mangels an Transportmitteln befohlen hat. Den weiteren Ausführungen des Urteils kann im Gegenteil entnommen werden, dass T. zu seinem Befehl - für den Angeklagten Ha. erkennbar - zumindest auch durch den Katastrophenerlass, den Sippenhaftungsbefehl und überhaupt die gesamte Sachlage, wie sie sich nach seiner Vorstellung dargestellt hat, bestimmt worden ist. Allerdings reichen diese Ausführungen des angefochtenen Urteils zur Freisprechung des Angeklagten Ha. schon wegen der Lückenhaftigkeit und Unvollständigkeit der Feststellungen hinsichtlich des Angeklagten T. nicht aus.

 

2. Durchgreifende Bedenken gegen die Anwendung der Bestimmungen des §47 MilStGB auf den Angeklagten Ha. ergeben sich ferner aus der anderweitigen Feststellung des Schwurgerichts, dass der Angeklagte T. zur Tatzeit Befehlsgewalt über die Angehörigen des Einsatzbataillons überhaupt nur noch in wirtschaftlicher, verwaltungsmässiger