Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.749

 

von Frenzel registriert worden sei. Diese Darstellung hat, ebenso wie die bis dahin einigermassen zweifelhaft erscheinende Angabe beider Zeugen Bia. darüber, dass sie erst Ende April mit jenem LKW-Transport aus Izbica nach Sobibor verbracht worden seien, eine Stütze in dem Bericht des Aron Licht gefunden, die die Kammer überzeugt, dass beide Zeugen in der jetzigen Beweisaufnahme zutreffende Angaben über ihre Ankunft, der Zeuge Symcha Bia. darüber hinaus auch über seine frühen Kenntnisse von dem Fluchtplan aus dem Waldkommando gemacht haben.

 

In jenem Aron-Licht-Bericht werden, wie schon dargestellt, eine grössere Anzahl der 40 Ausgesonderten bei der Ankunft in Sobibor namentlich erwähnt, unter anderem beide Zeugen Bia.; zur Fluchtplanung heisst es u.a.: "Ich arbeitete dann noch eine gewisse Zeit im Wald und wurde durch die Protektion meines Cousins abgeordnet, um im Magazin zu arbeiten. Auch Symcha Bia. wurde von dort weggeschickt, um im Magazin als Apotheker zu arbeiten." Später heisst es dann: "Einige Kameraden kommen zu mir und sagen: Kamerad Aron Licht, lass uns in den Wald gehen und von dort fliehen. ... Sie gehen allein weg und ich bleibe im Magazin arbeiten und wünsche ihnen viel Erfolg bei ihrer Unternehmung." Sodann wird unmittelbar anschliessend die Flucht und der Umstand berichtet, dass mehrere Menschen im Wald erschossen wurden. Bemerkenswert ist auch, dass Aron Licht unter jenen Männern, die entlaufen seien, Pod., Kopp, Kor., Abraham Wa., Sindel Hon. und vier weitere Männer aufzählt. Abraham Wa., der auch von Kor. dafür benannt wird, zu den Entflohenen zu gehören, hat allerdings ebenso wie Kor. selbst später abgestritten, überhaupt so früh aus dem Lager entkommen zu sein; ein allerdings schwer erklärliches Aussageverhalten, das sich möglicherweise mit den Erfordernissen erklärt, in Entschädigungsverfahren möglichst lange Aufenthaltszeiten in einem Lager angeben zu müssen.

 

Die Existenz des Aron Licht als eines in Sobibor tatsächlich gewesenen jüdischen Häftlings und seine Identität ergibt sich wiederum aus der verlesenen Aussage des He., der klargestellt hat, dass seine Mutter Licht gehiessen habe und dass im Lager sein Cousin Aron Licht gewesen sei.

 

Die Feststellungen des Gerichts über die Flucht der jüdischen Häftlinge aus dem Waldkommando heraus, wobei zwei ihren ukrainischen Bewacher zunächst getötet hatten, basiert auf den Angaben Frenzels, die durch das abgesichert werden, was die Zeugen, allerdings nur vom Hörensagen, hierzu bestätigend berichtet haben. Die Zeugen Pod. und Hon. konnten selbst nicht mehr vernommen werden, ihre früheren Aussagen sind, soweit sie Frenzels Erklärungen entsprechen, mit Grundlage der Feststellungen geworden.

 

Der eigentlich entscheidende, für die Bewertung der Handlung Frenzels wichtige Geschehensablauf hat sich auch erst im Lager ereignet, nachdem die Flucht bekannt geworden war. Hierzu haben praktisch alle vernommenen Zeugen ausführlich ausgesagt. Eine einheitliche Linie, die ein Mehr an Beteiligung des Angeklagten beweisen würde, als sie aufgrund seiner geständigen Angaben festgestellt worden ist, ist nicht möglich gewesen. Es konnte insbesondere, wie schon im ersten Hagener Sobibor-Urteil 447, nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass der Angeklagte eigenmächtig die Erschiessung der restlichen oder eines Teils der restlichen Mitglieder des Waldkommandos angeordnet, dass er das Erschiessungskommando befehligt oder dass er eigenhändig Nachschüsse gegeben hätte.

 

Die Zeugen Bah., Bla., C.-Z., Raa. und Fre. haben zwar bekundet, Frenzel habe ihnen eine Rede gehalten, und es spricht nach der Funktion, die Frenzel seinerzeit gehabt hat, auch vieles dafür, dass diese Bekundungen zutreffend sind, doch haben wiederum andere Zeugen

 

447 Siehe Lfd.Nr.642a, Bd.XXV S.123 ff.