Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.293a LG Kassel 12.10.1951 JuNSV Bd.VIII S.745

 

Lfd.Nr.293a    LG Kassel    12.10.1951    JuNSV Bd.VIII S.749

 

Der Angeklagte berichtete von der Meldung über den Mord und die Plünderung. Er erhielt darauf den Befehl, einen Offizier, am besten den Revieroberleutnant Ko., der vorher das für den Rothenberg zuständige Polizeirevier geleitet hatte, mit 2 Beamten an den Tatort zu schicken und feststellen zu lassen, was sich ereignet habe. Der Angeklagte Ha. liess daraufhin den Zeugen Ko., der in diesem Verfahren bereits rechtskräftig von dem Vorwurf des Totschlags freigesprochen worden ist 212, zu sich kommen. Ko. war damals Zugführer in einer Kompanie des von dem Angeklagten Ha. geführten Bataillons. Der Angeklagte Ha. unterrichtete Ko. davon, dass auf dem Rothenberg ein Deutscher erschlagen worden sei und eröffnete ihm, der Kommandeur habe die Erledigung der Angelegenheit durch ihn befohlen, weil er der für den Rothenberg zuständige Revieroffizier gewesen sei. Der Angeklagten Ha. ordnete ferner an, dass der Zeuge Ko. einen Kraftwagen und 2 Polizeibeamte mitnehmen solle. Der Zeuge Ko. fuhr daraufhin mit den Zeugen Hi. und J., die seinem Zug angehörten und in diesem Verfahren bereits von dem Vorwurf des Totschlags rechtskräftig freigesprochen worden sind 213, zum Rothenberg. Mit ihnen fuhren ausserdem die Zivilisten, die die Geschehnisse vom Rothenberg am Renthof berichtet hatten, sowie der Zeuge Fi. Auf der Fahrt erzählten die Zivilisten dem Zeugen Ko., was geschehen war. Von dem Zeugen Fi. erfuhr der Zeuge Ko., dass 5 Ausländer bereits festgenommen worden seien.

Ko. fuhr zunächst zur Treysaerstrasse, wo er den Tatort besichtigte. Er traf dort mit Bä. und dem Zeugen He. zusammen, die ihm den von ihnen beobachteten Sachverhalt mitteilten. Sodann besichtigte er die Wohnung mit dem Plünderungsgut. Dort wurde ihm auch ein blutiger Riemen gezeigt, von dem dabei vermutet wurde, dass er dazu gedient habe, den ermordeten Lotze zu dem Bombentrichter zu schleifen, in dem ihn der Zeuge He. gefunden hatte. Ko. stellte fest, dass es sich an dem Riemen um frische Blutspuren handelte. Er liess sich in der Wohnung durch Bä. und den Zeugen He. noch einmal alles erklären und erfuhr auch von der gedeckten Tafel sowie davon, dass sich einer der Festgenommenen unter einem Bette verborgen gehalten hatte. Er gewann dabei die feste Überzeugung, dass es sich bei den festgenommenen Männern um die Mörder Lotzes handele. Anschliessend überzeugte er sich von dem Vorhandensein der zu dem Bombentrichter führenden Blut- und Schleifspur. Von dem Bombentrichter aus begab er sich zu dem Marienkrankenhausbunker, in dem die 5 Ausländer festgehalten wurden. Die 5 Ausländer wurden sodann im Fussmarsch zu dem Renthof gebracht. Der Versuch des Zeugen Hi., die drei Männer zu fesseln, misslang, weil die Handschellen nicht verschliessbar waren. Der Zeuge Hi. erkannte in den beiden Frauen 2 Ausländerinnen, die er früher während Fliegeralarmen schon wiederholt ausserhalb des Bunkers hatte stehen sehen und deshalb in Verdacht gehabt hatte, sie ständen Schmiere bei Diebstählen. Er teilte dies dem Zeugen Ko. mit.

 

Etwa 20 Minuten nach dem Abmarsch vom Marienkrankenhausbunker langten die 5 festgenommenen Ausländer beim Renthof an. Der Zeuge Ko. liess sie, unter Bewachung der Zeugen Hi. und J. zurück, während er sich selbst zu dem Angeklagten Ha. begab, dem er im einzelnen meldete, was sich ereignet und was er festgestellt hatte. Der Zeuge Ko. berichtete dem Angeklagten Ha. insbesondere, was ihm die Zeugen He. und Bä. mitgeteilt hatten, ferner seine eigenen Feststellungen über das Plünderungsgut in der Wohnung der Ausländer, über die Blutlache am Tatort, und über die Schleifspur zum Bombentrichter. Er vergass jedoch zu melden, dass sich unter den Festgenommenen 2 Frauen befanden. Der Angeklagte Ha. ging deshalb davon aus, dass es sich bei den 5 Ausländern um Männer handelte. Auf Grund der Berichte des Zeugen Ko., der als zuverlässiger Beamter galt und dem Angeklagten Ha. als solcher bekannt war, war der Angeklagte Ha. überzeugt davon, dass drei der Festgenommenen an der Ermordung Lotzes beteiligt seien und alle 5 Ausländer geplündert hätten.

Anschliessend an die Berichterstattung durch Ko. rief der Angeklagte Ha. wie schon nach Eingang der ersten Meldung von den Vorkommnissen in der Treysaerstrasse im Weinbergbunker an und verlangte von der sich meldenden Vermittlung mit dem Kommandeur verbunden zu werden. Schon nach wenigen Sekunden war er verbunden. Er glaubte zu hören, dass sich sein Gesprächsteilnehmer wie bei dem ersten Male mit "T." meldete. Er glaubte auch die Stimme des Angeklagten T. zu erkennen. Er hatte keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte T. sein Gesprächspartner sei. Der Angeklagte meldete in allen Einzelheiten, was ihm der Zeuge Ko. berichtet hatte. Darauf

 

212 Siehe Lfd.Nr.229.

213 Siehe Lfd.Nr.229.