Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.748

 

21.) Tötung von 40 russischen Kriegsgefangenen durch Gas im Zusammenhang mit der "Aktion 14 f 13"

(Fall D I 502 der Anklage)

 

Anklage und Eröffnungsbeschluss legen dem Angeklagten Schul. schliesslich noch die Beteiligung an der Tötung von ca. 40 russischen Kriegsgefangenen zur Last, die im Rahmen der Häftlingseuthanasie getötet worden sein sollen, weil sie zwar weder krank- noch arbeitsunfähig, aber missliebig gewesen sein sollen.

 

Insoweit konnten in der Hauptverhandlung keine konkreten Feststellungen mehr getroffen werden. Der Zeuge Fül., als Augenzeuge für diesen Vorfall benannt, konnte hierzu keine genauen Angaben mehr machen. Da diese Häftlinge im Rahmen der "Aktion 14 f 13" getötet worden sind, kann auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass diese Personen in der Gesamtzahl der getöteten Häftlinge, wie sie den Feststellungen über den zweiten Abschnitt der Aktion 14 f 13 zugrunde gelegt ist, enthalten sind. Ebensowenig konnten konkrete Feststellungen darüber getroffen werden, ob der Angeklagte Schul. etwas davon wusste, dass es sich bei diesen Personen um eine besondere Gruppe von Häftlingen, die nicht wegen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit, sondern aus anderen Gründen getötet worden sind, handelte.

 

Nach alledem war der Angeklagte Schul. auch vom Vorwurf der Beteiligung am Mord dieser Personen freizusprechen.

 

II. Die Straftaten des Angeklagten Streitwieser und ihre rechtliche Würdigung

 

1.) Niederschlagen eines Bibelforschers Ende des Jahres 1939 im KL Mauthausen - Hauptlager -

(Fall D II 3 der Anklage)

 

a) Tatsächliche Feststellungen

 

Ende des Jahres 1939 - der Angeklagte war zu dieser Zeit Arbeitsdienstführer in Mauthausen - traten die Häftlingsarbeitskommandos vor dem Ausrücken zur Arbeit noch auf dem sogenannten alten Appellplatz an. Der neue Appellplatz - wie er unter B oben beschrieben ist - war zu dieser Zeit noch nicht fertiggestellt. Der alte Appellplatz befand sich zwischen den Stirnseiten der Blöcke 1-5 und der nordwestlichen Lagereinfriedung, die damals teilweise noch aus einem Drahtzaun bestand (die Lagermauer befand sich im Bau).

 

Als die Arbeitskommandos eines Tages entweder zum Morgen- oder Mittagappell zum Ausrücken angetreten waren, bat ein älterer Bibelforscher zwischen 40 und 50 Jahren den Zeugen Daniel Scht., ob er austreten dürfe. Der Zeuge Scht. war Blockältester von Block 3, und der Bibelforscher gehörte zu seinem Block. Der Zeuge Scht. nahm an, dass der Bibelforscher an einer Darmerkrankung litt und gestattete ihm, zur Latrine zu gehen. - In diesem Augenblick kam der Angeklagte Streitwieser hinzu und bemerkte die Lücke in der Reihe der angetretenen Häftlinge. Er fragte den Zeugen Scht., wo der fehlende Häftling sei. Der Zeuge erklärte ihm, der Häftling habe Durchfall oder Typhus und sei ausgetreten. Daraufhin schrie Streitwieser den Zeugen an, dass der Häftling bei Appell anzutreten und notfalls "in die Hose zu scheissen" habe. - Zu diesem Zeitpunkt kam der Häftling von der Latrine zurück. Streitwieser ging auf ihn zu und schlug ihn mit einem wuchtigen Fausthieb zum Kopf oder mit einem Handkantenschlag gegen den Hals zu Boden. Der niedergeschlagene Häftling ist entweder unmittelbar durch die Schlageinwirkung oder möglicherweise durch eine als Folge des Sturzes erlittene Kopfverletzung verstorben. Der Zeuge Scht. stellte den Tod fest und liess den Toten in den Waschraum seines Blockes 3 bringen. Er meldete seinen Tod in der Lagerschreibstube. Der Häftling wurde daraufhin von Leichenträgern abgeholt.