Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.293a LG Kassel 12.10.1951 JuNSV Bd.VIII S.745

 

Lfd.Nr.293a    LG Kassel    12.10.1951    JuNSV Bd.VIII S.748

 

Sprache fielen. Bä. lief in Richtung des Marienkrankenhausbunkers, um Hilfe zu holen. Seine Hilferufe machten die Zeugen He. und Hap. auf ihn aufmerksam. Bä. veranlasste die Zeugen He. und Hap. zum Mitkommen. Unterwegs schloss sich ihnen noch ein OT-Mann an. Am Tatort fanden sie niemanden mehr vor, sahen dort aber eine Mütze, einen Mantel, eine Aktentasche und eine Kiste mit Cognacflaschen liegen. Ausserdem entdeckten sie eine Blutlache. Um nach dem Verbleib des Überfallenen zu forschen, gingen die Zeugen He. und Hap. in die Wohnung, aus der Bä. die beiden Männer hatte kommen sehen, die sich kurz zuvor in den Kampf der beiden Männer auf der Strasse eingemischt hatten. Sie fanden die Wohnung, die bombenbeschädigt und deshalb von ihren eigentlichen Bewohnern verlassen war, erleuchtet. Die Lichtquelle wurde von einer provisorischen Beleuchtungsanlage gespeist. In der Wohnung fanden sie 5 Personen vor und zwar drei Männer und zwei Frauen. Einer der Männer hatte sich in einem Raum unter einem Bett versteckt. Die übrigen Personen hielten sich in einem benachbarten Raum auf, in dem ein mit Esswaren aller Art und alkoholischen Getränken gedeckter Tisch stand. Bei den Männern handelte es sich um zwei Franzosen und einen Belgier. Die eine Frau war Französin, die andere Polin. Die Französin war hochschwanger. In der Wohnung befand sich ein grosses Lager von offensichtlich gestohlenen und geplünderten Waren. Es waren dort Säcke mit Kaffee, Mehl, Zucker und Reis, Konserven, Kisten mit Wein, Schnaps und Likör sowie mehrere Koffer mit Wäsche aufgestapelt. In einem Koffer fand sich eine vollständige Babyausstattung. Die Waren waren teils ordentlich gestapelt, teils standen sie herum, so als ob sie erst vor kurzem in die Wohnung geschafft worden seien. Ein Lastwagen hätte nicht ausgereicht, die Waren fortzuschaffen. Wenn Bä. und seine Begleiter auch nichts Näheres darüber feststellten, wie die Waren im einzelnen zusammengetragen waren, so hatten sie angesichts der Menge der Güter in der von den 5 Ausländern besetzten Wohnung keinen Zweifel daran, dass die 3 Mann und die beiden Frauen die Waren geplündert hatten.

 

Die Zeugen He. und Hap. stellten fest, dass Hände und Kleidung eines der drei Männer mit Blut befleckt waren. Sie fragten nach dem Verbleib des erschlagenen Lotze. Eine der beiden Frauen, die polnisch und gebrochen deutsch sprach, verlangte zum "Präsidenten" geführt zu werden. Sie redete auf einen der Ausländer ein, und sprach von Aufklärung sowie davon, dass nicht alle mit hineingezogen werden könnten. Alle 5 Ausländer waren sehr verängstigt und verstört.

Die Zeugen He. und Hap. brachten sodann mit Bä. die 5 Ausländer nach dem Marienhausbunker, wo sie nach Mitternacht eintrafen. Sie führten die Ausländer dem dort als Polizeibeamten tätigen Zeugen Fi. vor. Der Zeuge Fi. übergab die Ausländer dem Zeugen Kn. zur Überwachung und begab sich selbst mit He., Hap. und Bä. auf die Suche nach Lotze. Beim Schein des Mondes fanden sie Schleif- und Blutspuren, die von der Blutlache auf der Treysaerstrasse zu dem in der Nähe liegenden Schrebergartengelände führten. Dort fanden sie den ermordeten Lotze in einem mit Wasser gefüllten Bombentrichter liegen. Sie bargen ihn und stellten fest, dass ihm der Schädel an mehreren Stellen mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen war. Ausserdem hatte er in der Gegend der linken Schläfe eine Stichwunde.

 

Anschliessend begab sich der Zeuge Fi. zum Renthof und liess dem Angeklagten Ha. den Vorfall melden. Schon vorher hatten Zivilisten, unter denen sich die Tochter des ermordeten Lotze befand, bei der Wache am Renthof angezeigt, dass am Rothenberg ein Deutscher ermordet worden sei, dass dort geplündert werde und dass die Täter festgenommen worden seien. Der Angeklagte Ha. rief auf diese erste Meldung hin die Befehlsstelle der örtlichen Luftschutzleitung im Weinbergbunker an, um den Angeklagten T. den Vorfall zu melden. Vom Renthof führte eine direkte Leitung zur Vermittlung der Befehlsstelle der örtlichen Luftschutzleitung im Weinbergbunker, von wo aus die Gespräche u.a. zu den Befehlsstellen vermittelt werden konnten, die der Angeklagte T. und der Zeuge E. im Weinbergbunker hatten. Als der Angeklagte Ha. den Hörer abnahm, um den Angeklagten T. anzurufen, meldete sich die Vermittlung der Befehlsstelle der Luftschutzleitung im Weinbergbunker. Der Angeklagte Ha. verlangte den "Kommandeur". Er wurde daraufhin verbunden und glaubte zu hören, dass sich der Gesprächsteilnehmer mit dem Namen "T." meldete. Er glaubte ferner die Stimme des Angeklagten T., die ihm auch vom Telefon her seit 1944 bekannt war, zu erkennen.