Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.293a LG Kassel 12.10.1951 JuNSV Bd.VIII S.745

 

Lfd.Nr.293a    LG Kassel    12.10.1951    JuNSV Bd.VIII S.745

 

3a Ks 4/50

 

Im Namen des Volkes

 

 

In der Strafsache gegen

 

1. den früheren Oberstleutnant der Schutzpolizei T. 209, geb. am 13.10.1891 in Baumgarten/ Oberschlesien, wohnhaft in Kassel, deutsch, nicht vorbestraft,

2. den früheren Rev.-Hauptmann der Schutzpolizei Ha. 210, geb. am 2.7.1891 in Liebenau, Krs.Hofgeismar, wohnhaft in Kassel, deutsch, nicht vorbestraft,

 

wegen Totschlags

 

hat das Schwurgericht des Landgerichts in Kassel in der Sitzung vom 11. und 12.Oktober 1951, am 12.Oktober 1951 für Recht erkannt:

 

Die Angeklagten werden freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens, einschliesslich der Revision, trägt die Staatskasse.

 

 

GRÜNDE

 

I.

 

1. Der Angeklagte T. wurde am 13.10.1891 in Baumgarten, Krs.Falkenberg/Oberschlesien geboren. Nach 8jährigem Besuch der Volksschule in seinem Geburtsort erlernte er das Fleischerhandwerk und trat dann mit 17 Jahren in die Wehrmacht ein. Nach zweijähriger Dienstzeit verpflichtete er sich im Jahre 1911 auf 12 Jahre. Er nahm am ersten Weltkrieg teil, erhielt das Verwundetenabzeichen und wurde mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet. Bei Kriegsende war er Offizierstellvertreter. Im Jahre 1919 trat er als Oberwachtmeister in die Polizei ein. Im Frühjahr 1920 wurde er zum Polizeileutnant befördert. Er besuchte verschiedene Polizeifachschulen und tat in verschiedenen Städten Dienst. Er wurde zunächst zum Oberleutnant, 1927 zum Hauptmann und im April 1939 zum Major der Schutzpolizei befördert. Ein schweres Gallen- und Leberleiden, das 1937 und 1939 Operationen erforderlich machte, liess ihn für den Aussendienst untauglich werden. 1939 wurde er Kommandeur der Schutzpolizei in Saarbrücken, wo er bereits seit 1935 als Polizeioffizier Dienst getan hatte. 1941 kam er nach Russland, von wo er im Dezember 1943 wegen seines Leberleidens in die Heimat entlassen wurde. Er tat zunächst Dienst in Wilhelmshaven und wurde im Mai 1944 als Kommandeur der Schutzpolizei nach Kassel versetzt. Hier wurde er im Oktober 1944 zum Oberstleutnant der Schutzpolizei befördert. Er blieb bis zum Zusammenbruch in Kassel und flüchtete vor den herannahenden Amerikanern nach Regensburg. Er blieb 4 Wochen dort und kehrte dann nach Kassel zurück. Hier geriet er in automatischen Arrest, aus dem er im August 1945 wieder entlassen wurde. Auch in der Folgezeit wurde er noch mehrere Male teils von deutschen und teils von amerikanischen Dienststellen verhaftet. In dieser Sache war er nicht in Untersuchungshaft.

 

2. Der Angeklagte Ha. wurde am 2.7.1891 in Liebenau, Krs.Hofgeismar geboren, wo er bis zu seinem 14. Lebensjahr die Volksschule besuchte. Anschliessend arbeitete er in dem 4 ha grossen väterlichen Betrieb. Mit 19 Jahren wurde er Soldat. Nach 2jähriger Dienstzeit kapitulierte er. 1914 rückte er als Unteroffizier ins Feld. Er nahm

 

209 Siehe auch Verfahren Lfd.Nr.132.

210 Siehe auch Verfahren Lfd.Nr.195.