Justiz und NS-Verbrechen Bd.VIII

Verfahren Nr.260 - 297 (1950 - 1951)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.292b BGH 24.06.1954 JuNSV Bd.VIII S.737

 

Lfd.Nr.292b    BGH    24.06.1954    JuNSV Bd.VIII S.742

 

erst in der Hauptverhandlung gerade hinsichtlich solcher Vorfälle belastet haben, bei denen nächste Angehörige der Zeugen getötet oder misshandelt worden sein sollen. Das Schwurgericht hält es für ausgeschlossen, dass diese Geschehnisse den Zeugen bei früheren Vernehmungen nicht gegenwärtig gewesen sein könnten, oder dass sie sie bewusst verschwiegen hätten. Das Schwurgericht erörtert ferner die schlechten Beobachtungsverhältnisse, unter denen die Zeugen den Angeklagten als einen der Täter bei den Erschiessungen erkannt zu haben glauben. Es hebt auch hervor, dass die Zeugen hinsichtlich der Geschehnisse vom 28.April 1942, vom 11.Oktober 1942 und vom 10.Januar 1943 nicht nur verschiedene Einzelvorkommnisse schilderten, sondern dass ihre Aussagen auch dort voneinander abwichen, wo es sich um dieselben Einzelvorkommnisse gehandelt haben kann. All das war vorwiegend massgebend dafür, dass sich das Schwurgericht von der Schuld des Angeklagten W. nicht überzeugen konnte.

Dazu kamen bei dem Zeugen B. erst in zweiter Reihe die allgemeinen Bedenken gegen den Beweiswert der Aussage eines in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Zeugen, von dem das Gericht keinen persönlichen Eindruck gewinnen konnte. Ersichtlich standen auch bei der Würdigung der Aussagen dieses Zeugen die Erwägungen im Vordergrund, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen sprachen. Unter den oben dargelegten rechtlichen Gesichtspunkten ist es demnach verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Schwurgericht die Aussage des Zeugen in Anbetracht ihres nach den Umständen nur zu erwartenden inhaltlich beschränkten Beweiswertes wegen der nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten, die seiner gerichtlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung entgegenstanden, verlesen liess.

 

Es bleibt zu prüfen, ob das Schwurgericht nicht wenigstens den Zeugen im Wege der zwischenstaatlichen Rechtshilfe durch einen Richter hätte vernehmen lassen sollen. Das ist zu verneinen. Die Bedenken des Schwurgerichts gründeten sich nicht darauf, dass der Zeuge nicht richterlich vernommen war, sondern darauf, dass es ihn nicht selbst vernehmen und ihm Fragen stellen und Vorhalte machen konnte. Die Aufklärungspflicht gebot also nicht, den Zeugen im Wege der Rechtshilfe nochmals vernehmen zu lassen (vgl. BGH 3 StR 196/52 vom 19.Februar 1953).

 

Nach allem ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.