Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXI

Verfahren Nr.694 - 701 (1968 - 1969)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.701a LG Stuttgart 13.03.1969 JuNSV Bd.XXXI S.697

 

Lfd.Nr.701a    LG Stuttgart    13.03.1969    JuNSV Bd.XXXI S.741

 

dass er der eigentlichen "Baustelle", wenn immer möglich, ferngeblieben sei und sich möglichst auf die notwendige Materialbeschaffung in Riga sowie auf Kontrollen im Wald bei den Aussenposten beschränkt habe. Von etwa Ende Juli bis Ende August 1944 sei er eigens dazu in Urlaub, einschliesslich 10 Tage Sonderurlaub, gegangen, um "aus dem Milieu" herauszukommen.

 

4. Der Angeklagte Kir. schliesslich bestreitet entschieden, jemals an einer Häftlingserschiessung beteiligt gewesen zu sein oder gar selbst auf Gefangene geschossen zu haben. Zwar sei es richtig, dass er schon zu Beginn in Kiew dem Sonderkommando 1005 als Verwaltungsführer zugeordnet worden und auch bis zuletzt beim Teilkommando 1005 B, zuerst unter Zie., dann unter Helfsgott, geblieben sei. Mit den Enterdungsarbeiten habe er jedoch nichts zu tun gehabt. Ihm habe ausschliesslich die verwaltungsmässige Betreuung und Verpflegung der Kommandoangehörigen, die Beschaffung von Unterkünften und sachlichen Mitteln, der Fahrzeugpark und das Kostenwesen obgelegen. Für die Arbeitshäftlinge sei er weder in Kiew noch in Nikolajew zuständig gewesen, auch nicht verpflegungsmässig. Deshalb könne er über ihre Herkunft und Zahl nichts angeben. Soh. habe nach seiner Meinung in der Ukraine als Führer der beiden Teilkommandos 1005 A und 1005 B die Aufgabe gehabt, die Einsätze zu überwachen und die Kommandos zu inspizieren. Alle Anweisungen von oben seien in dieser Zeit von Soh. gekommen.

 

Im Raume Riga habe er sich, abgesehen von seiner massgeblichen Mitwirkung an dem Aufbau des Waldlagers für das Sonderkommando 1005 B, nur wenig um dessen Belange zu kümmern brauchen. Noch während die Einheit im Arbeitslager Salaspils gelegen sei, habe Blobel ihn nämlich speziell damit beauftragt, am Strand nördlich von Riga ein Erholungsheim für die Angehörigen sämtlicher im Nordabschnitt der Ostfront eingesetzten Enterdungskommandos einzurichten. Diese relativ angenehme Aufgabe habe er weidlich ausgenutzt und sich deshalb in der Folge nur noch wenig bei seiner Einheit aufgehalten. In bezug auf die Arbeitshäftlinge habe er sich nur einmal - bei der Beschaffung von Zusatzverpflegung - eingesetzt.

 

Dass die bei allen Einsätzen mit Fussketten gefesselten Arbeitshäftlinge in Kiew, Nikolajew und bei Riga zuletzt von SS- und SD-Leuten der Sonderkommandos erschossen werden sollten (und erschossen wurden), habe er gewusst. Er habe dieses Vorgehen schon damals für unrecht gehalten. Näheres über die Exekutionen und Opferzahlen sei ihm mangels eigener Beteiligung nicht bekannt geworden. Übrigens habe er befürchtet, eines Tages vielleicht selbst als Geheimnisträger umgebracht zu werden.

 

C) Beweiswürdigung im einzelnen

 

1. Der Angeklagte Soh.

 

a) Soh. ist nicht zu widerlegen, dass er an den abschliessenden Exekutionen in Babij-Yar und Nikolajew nicht persönlich teilgenommen und in keinem der Fälle den unmittelbaren Erschiessungsbefehl gegeben hat. Insoweit fehlen zuverlässige Beweismittel. Die Zeugen Han., Ad., Beh., Ka., Löb., Pa., Kle., Wro. und Le. haben übereinstimmend und glaubhaft angegeben, nichts davon zu wissen, dass Soh. am Erschiessungsplatz jemals zugegen war. Kein Zeuge konnte zuverlässig das Gegenteil bekunden. Das unterstützt die Darstellung des Angeklagten, er sei im Zeitpunkt der Erschiessungen jeweils schon wieder abgereist gewesen, um sich weiteren Aufgaben zu widmen. Dies lässt sich auch einleuchtend mit seiner übergeordneten Funktion erklären.

 

Ferner konnten mangels ausreichender Beweise keine brauchbaren Feststellungen darüber getroffen werden, wo und wie der Angeklagte Soh. ausser in Kiew und Nikolajew noch an weiteren Enterdungsaktionen mit nachfolgender Erschiessung der Arbeitskräfte beteiligt war.