Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.739

 

16.) Tötung von mindestens 100 Häftlingen in der Nähe der Wäschereibaracke am 16. und 17.Februar 1945

(Fall D I 70-169 der Anklage)

 

In den ersten Monaten des Jahres 1945 wurden eine Reihe von Häftlingstransporten aus anderen Konzentrationslagern, die wegen der herannahenden Front geräumt werden mussten, nach Mauthausen gebracht.

 

Am 25.Januar 1945 traf ein Transport von fast 2000 Häftlingen aus Auschwitz, am 15.Februar ein ebensolcher aus Gross-Rosen und am 16. und 26.Februar 1945 trafen Transporte von entsprechender Grösse aus Sachsenhausen in Mauthausen ein. Die Unterbringungsmöglichkeiten im Lager Mauthausen, die ohnehin schon vollständig ausgenutzt waren, wurden dadurch katastrophal. Alle vorhandenen Blocks waren mehrfach überbelegt. Auch die Verpflegung und die Kleidung wurden immer knapper. Oft mussten die Häftlinge der neueingetroffenen Transporte stundenlang warten, bis sie aufgenommen wurden. Bei jeder Witterung mussten sie lange Zeit im Freien stehen. Das Aufnahmekommando hatte in diesen Tagen oft bis nachts zu arbeiten, um alle neu eingetroffenen Häftlinge zu registrieren.

 

Am 13.Februar 1945 wurden fast 3000 Häftlinge aus dem Lager Sachsenhausen mit der Eisenbahn nach Mauthausen transportiert. Etwa 2000 dieser Häftlinge waren zuvor aus Auschwitz kommend in Sachsenhausen eingetroffen. Der Transport wurde in überfüllten Viehwagen durchgeführt. Die Häftlinge erhielten unterwegs fast nichts zu essen und durften während der mehrtätigen Reise die Wagen nicht verlassen.

Am 16.Februar 1945 traf der Eisenbahnzug auf dem Bahnhof in Mauthausen ein. Die Häftlinge mussten aussteigen und antreten. Es herrschte eine Temperatur um den Nullpunkt. Zahlreiche Häftlinge waren unterwegs verstorben. Sie wurden aus den Waggons ausgeladen und mit einem Fahrzeug in das Lager Mauthausen geschafft. Die überlebenden Häftlinge mussten in grösseren Marschblocks den etwa 6-8 km langen Weg vom Bahnhof Mauthausen zum Konzentrationslager zu Fuss zurücklegen. Neben den Marschkolonnen gingen als Wächter SS-Angehörige des Lagers Mauthausen. Auch vor und hinter dem Zug marschierten SS-Angehörige. Die Bewachungsmannschaften schlugen auf die Häftlinge ein, um sie zum schnelleren Gehen anzutreiben. Unterwegs versuchten einige der ausgehungerten und verdurstenden Häftlinge aus einem Brunnen am Wegesrande Wasser zu trinken. Sie wurden jedoch von den SS-Bewachern mit Schlägen wieder weggetrieben.

 

Nachdem die Häftlinge schliesslich das Lager erreicht hatten, mussten sie zunächst auf dem Appellplatz warten. Zu ihnen traten dann mehrere SS-Führer des Konzentrationslagers, unter ihnen der Lagerkommandant Ziereis und der Schutzhaftlagerführer Bachmayer. Ziereis oder einer der anderen SS-Führer fragte die Häftlinge, wer krank sei. Es meldete sich eine Anzahl von Häftlingen, die sich gesondert aufstellen mussten. Sodann wählten die SS-Führer von den übrigen Häftlingen noch diejenigen aus, die ihnen besonders krank oder arbeitsunfähig schienen. Die so ausgesonderten Häftlinge mussten sich an der Lagermauer hinter dem Krematorium aufstellen, wo sie sich vollständig ausziehen und stundenlang stehen bleiben mussten. Anschliessend wurden die Häftlinge des Transports nach und nach in grösseren Gruppen von 50 bis 100 Mann in die Waschbaracke geführt, wo sie geduscht wurden. Dann mussten sie ihre Schuhe und ihre Sachen in die Hand nehmen und die Baracke verlassen.

Schliesslich wurden auch die ausgesonderten, besonders kranken Häftlinge geduscht. Sie mussten sich anschliessend wieder, ohne sich abzutrocknen, draussen in der Kälte aufstellen. Draussen wurden sie, wahrscheinlich von Angehörigen der Lagerfeuerwehr, mit kaltem Wasser aus Feuerwehrschläuchen bespritzt. Viele der Häftlinge fielen um und starben. Sie mussten sich die ganze Nacht über dort unter Bewachung aufhalten. Gegen Morgen wurden die Überlebenden von ihnen durch SS-Angehörige des Lagers erschlagen. Während der ganzen Zeit, bis die letzten dieser Häftlinge getötet waren, spielten sich furchtbare Einzelszenen ab, deren Schilderung im einzelnen hier nicht erforderlich ist.