Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXVI

Verfahren Nr.648 - 661 (1967)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.659a LG Köln 30.10.1967 JuNSV Bd.XXVI S.589

 

Lfd.Nr.659a    LG Köln    30.10.1967    JuNSV Bd.XXVI S.738

 

Beobachtungen der betreffenden Zeugen auf Todesfälle holländischer Juden aus dem Jahre 1942 beziehen. Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses sind aber nur die Tötungen der holländischen Juden bis Ende 1941.

 

Auch der Angeklagte Schul. selbst hat angegeben, er sei einmal am Tatort zugegen gewesen, nachdem sich angeblich eine grössere Zahl holländischer Juden, möglicherweise 16, in den Steinbruch gestürzt hätten. In der Tat weist das maschinengeschriebene Buch "unnatürliche Todesfälle" einen derartigen Vorfall vom 14.10.1941 aus, wonach an diesem Tage 16 holländische Juden durch "Absprung von einer Steinbruchwand" umgekommen sind. Schul., dem diese Eintragung vorgehalten worden ist, hat angegeben, möglicherweise handele es sich dabei um den gleichen Vorfall, den er meine. Da aber das Zustandekommen dieser Eintragung in dem maschinengeschriebenen Buch nicht geklärt ist, bleiben als Beweisgrundlage insoweit lediglich Schul.s eigene Angaben übrig.

Dem Angeklagten muss jedoch ebenso wie den Zeugen zugute gehalten werden, dass ihm hinsichtlich der zeitlichen Verhältnisse nach so langer Zeit ein Irrtum unterlaufen sein kann. Möglicherweise meint er einen Vorfall, der später, nämlich im Jahre 1942, liegt. Jedenfalls konnten seine Angaben allein nicht zur sicheren Feststellung führen, dass er bereits im Jahre 1941 als Gerichtsoffizier bei unnatürlichen Todesfällen tätig geworden ist. Möglicherweise sind bis zum 1.9.1942 die unnatürlichen Todesfälle und die sonstigen Funktionen des Gerichtsoffiziers durch den Adjutanten des Lagerkommandanten erledigt worden. Auch insoweit liess sich daher nicht nachweisen, dass Schul. durch seine Handlungen die Tötung der holländischen Juden gefördert hat.

 

Es liess sich auch nicht nachweisen, dass Schul. die Tötung der holländischen Juden dadurch gefördert hat, dass er falsche Todesnachrichten hinsichtlich der holländischen Juden abgesandt hat und dass dies von vornherein im Tatplan vorgesehen war. Zwar gehörte die Absendung der Todesnachrichten zu den Funktionen der politischen Abteilung. Hinsichtlich der holländischen Juden konnten insoweit urkundlich keine Fälle nachgewiesen werden. Es lässt sich deshalb nicht ausschliessen, dass insoweit Schul. an der Herstellung und Absendung der Todesnachrichten nicht beteiligt war. Wie ausgeführt, sind die Todesnachrichten möglicherweise nicht direkt an die Angehörigen der verstorbenen Juden in Holland geschickt worden, sondern vielleicht gesammelt an eine jüdische Einrichtung in Holland. Der Zeuge Dr. Har. konnte hierzu nichts Genaues mehr sagen. Der Umstand, dass seine Dienststelle die Anzahl der Todesnachrichten kannte, spricht für die Möglichkeit einer Sammelbenachrichtigung. Wenn es auch unwahrscheinlich ist, so lässt sich jedoch nicht ausschliessen, dass in diesen Fällen wegen der Sammelbenachrichtigung die betreffenden Arbeiten nicht von der politischen Abteilung, sondern vom Adjutanten des Kommandanten erledigt worden sind.

 

Auch die durch Schul. im Zusammenhang mit der Tötung der holländischen Juden erledigten standesamtlichen Arbeiten, die er mit Sicherheit ab 1.9.1941 begonnen hat, reichen für sich allein nicht aus, um die Grundlage für die Feststellung, Schul. habe die Tötung der holländischen Juden gefördert, abzugeben.

 

Es bleibt demnach lediglich der Umstand, dass die politische Abteilung unter persönlicher Leitung Schul.s mit der allgemeinen Führung der Personalakten aller Häftlinge, also auch der holländischen Juden, beschäftigt war. Mangels weiterer näherer Anhaltspunkte konnte indessen nicht nachgewiesen werden, dass diese Tätigkeit allein die Tötung der Juden gefördert hat.

 

Nach alledem konnte in diesem Fall nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte Schul. zur Tötung der holländischen Juden wissentlich geholfen hat. Er war daher insoweit freizusprechen.